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PRESS-SCHLAGGod bless the USA!

■ Die rauhen Westerner von Kansas City mußten sich beim Tennis-Davis-Cup anständig benehmen

Deutschland under alles“, jubilierte der 'Kansas City Star‘ bereits in seiner Samstagsausgabe, nachdem Andre Agassi und Jim Courier dem Vaterland mit ihren von selbigem Blatt trefflich als „Blitzkriegen“ beschriebenen Hochgeschwindigkeitssiegen den Garaus schon so gut wie ausgemacht hatten. Und doch — irgendwie so ganz und gar glücklich, euphorisch, die ganze Welt umarmen könnend, war man nicht. Warum?

Die Zuschauer machten nicht so recht mit und blieben zu Hause. „Crowd“ wurde in diesen Tagen in Kansas City „K-R-A-U-T“ gespellt, die vaterländischen Jetsetter benahmen sich in der Kemper- Arena, als wäre die geradewegs neben dem Reichstag im guten alten Berlin postiert. Irgendeiner hatte den meistenteils beanzugten Globetrottern aus Germany Rasseln in die Hände gedrückt und mittels jener machten die Teutonen einen solchen Lärm, daß selbst der brave Tom Gorman, Teamkapitän der USA, sauer wurde und nicht immer sicher war, „in welchem Land denn überhaupt gespielt wurde“ ('Kansas City Star‘).

Nun, in dem von „Hope and Glory“ natürlich, Ruhm und Ehre. Der 'Star‘ hatte, verständlicherweise etwas in seiner patriotischen Ehre gekränkt, leicht übertrieben: In realitas waren die Jungs und Mädels aus Kansas und Missouri natüüüüürlich nicht nur die besseren Tennisspieler, sondern auch die lauteren, die begeisterteren, die besseren Fans, keine Frage. Und überhaupt war der 'Star‘ ja, falls es eine gab, an der Misere hauptursächlich beteiligt.

Hatte der doch in seiner Donnerstagsausgabe den potentiellen Zuschauern neben den Grundregeln des Spiels — äähh, falls das doch nicht so ganz hundertprozentig klar sein sollte, im Prinzip interessiert das Tennisspiel hier, hmm, sagen wir's doch schonungslos, offen und ehrlich, niemanden — auch einen Tennis-Knigge an die Hand gegeben, in dem den rauhen Westmännern und -frauen drastisch gesagt wurde, was sie alles nicht tun dürfen beim Tennis, auch wenn sie es vom American Football noch so gewohnt sind.

Nicht: Bei einem „aus“ gegebenen Ball zungunsten der USA aufzuspringen und den Linienrichter mit den Worten „Du brauchst 'ne Brille, du Niete“ zu belehren.

Nicht: Einen der „deutschen Freunde“ auf dem Spielfeld mit den Worten „Laß ihn aus“ dazu zu verleiten, einen Ball, falsch einzuschätzen.

Nicht: Fehler der Deutschen mit dem lauten und freundlichen Hinweis „Du würdest mit deiner Rückhand nicht einmal eine Kuhweide (eine wohl der ruralen Gegend entsprungene Metapher) treffen“, zu kommentieren.

Und jetzt das Allerschlimmste:

Nicht: Sich während des Spiels einen Hot Dog zu holen.

Wie? Was? Maul halten? Keine Beleidigungen, keine „Krauts“ und „Tranks“ und — hmmm, only a joke, of course — „Nazis“? Kein poppiges Korn und kein heißer Hund? „Benimm Dich und amüsier dich“, so der weise 'Kansas City Star‘, das sei Elternlogik und die des Tennissports.

Die Kansas-Crowd beherzigte die Warnung und blieb zu einem Großteil einfach zu Hause. Am Sonntag nachmittag spielten eh die Chiefs gegen Seattle, so what the hell? Und die, die kamen, hätten nix vom Tennis verstanden? Erstens war schon mal, nämlich 1938, ein Davis-Cup-Match in der Stadt am Missouri, und zweitens verstanden die Zuschauer was von der Gnade, Amerikaner zu sein, und das reicht doch allemal aus. „Advantage United States“ heißt es, und das ist alles, was interessiert, und „Yeah!“ brüllen die Fans, und „Yeah!“ brüllt Andre Agassi, und „Yeah!“ brüllt Jim Courier und tanzt den Regentanz, und bäh- schämt schleichen sich die Buben aus Elmshorn und Mögglingen.

„We're proud to be in America“, dröhnt's aus den Lautsprechern, und Mami macht noch schnell ein Foto von Papi und dem Davis Cup, „there ain't no doubt I love this land“. Und Papi macht eins von Mami, und eins von den Kids, und weil der freundliche Nachbar — im Austausch, versteht sich — die Kamera auch zu bedienen vermag, macht der eins von Papi und Mami und den Kids und dem Davis Cup. Und da jetzt alle so ergriffen schauen, wird letzteres ein ganz besonders schönes Bilderl.

„God bless the USA“, wünscht sich der Lautsprecher. Und tatsächlich: Erneut hat er's getan! Unzel

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