PRESS-SCHLAG: Tochter aller Abwehrschlachten
■ Bei fußballerischer Erfolglosigkeit helfen nicht Vizepräsidenten, sondern Stopperkünste in der Wüste
Vom nationalen Ruhme des Titelgewinns noch berauscht und betäubt, schlingert der Deutsche Meister der Alternativkicker, Partisan Eifelstraße aus Aachen, seit Wochen von Debakel zu Debakel. 1:5 und 1:8 lauten die letzten Niederlagen in der heimischen Bunten Liga. Die Konkurrenten grinsen hämisch, und der Teamchef trauert vergangenen Zeiten nach, als er, noch im Sommer, in der Zeitschrift 'Sports‘ im Interview des Monats die Halbzeitzigarette als erfolgsgarantierendes Alternativ-Doping zu lobpreisen wußte. Zuletzt suchten die Partisanen nach Vizepräsidenten, die die Talfahrt bremsen könnten — bislang ohne Erfolg. Die zwei aussichtsreichsten Kandidaten heuerten bei der Konkurrenz weiter im Süden an.
Eine zwischenzeitliche Wende brachte jetzt eine erneute Gastspielreise nach Tunesien. Hier, wo zum stadionerfüllenden Ruf des Muezzin schon 1988 eine triumphale 5:8-Niederlage gegen einen Zweitligaabsteiger für sportliches Balsam sorgte, gelang nun ein 1:0-Erfolg gegen Viertdivisionär SC Sahline. Im Hotelfoyer konnte man schon anhand der Mannschaftsaufstellung feststellen, daß es beim „christlich-arabisch multikulturellen Wettstreit“ entgegen aller Buntliga-Maximen vom bedingungslosen Offensivkick zur „verschleierten Tochter aller Abwehrschlachten“ kommen werde: Die grün-weißen Partisanen boten gleich vier Stopper auf, dazu noch einen Vorstopper, einen Ausputzer, Mittelläufer, Offensivstopper, Vorne-Stopper, aber immerhin nur einen Torhüter als Kastenwart.
Der Betonsandplatz forderte zwar viele Blessuren, aber das vereinte Stoppen der wirbelnden tunesischen Ballkünstler gelang. Was bei allem lustvollen Einsatz auch daran lag, daß der Afrikaner, insbesondere der leichtfüßig kunstvoll spielende Araber, im Schießen immer wieder versagte. Einige geschmacklose Vergleiche über die Schießkünste mit Scud-Raketen wurden von der Mannschaftsführung im übrigen schnell unterbunden. Und das Spiel dauerte nur 2*35 Minuten, was die ausnahmslos rauchenden Aachener am Ende keuchend erschöpft mit Erleichterung goutierten, bevor sie die Siegesfluppe entzündeten.
Siegschütze Jürgen Roberts, diesmal als „Mitläufer und Alles- Stopper“ aufgelaufen, der auch schon in Freiburg das goldene Tor zum nationalen Titelgewinn erzielt hatte, wurde mit „Mach et immer wieder, Jürgen“-Jauchzereien gefeiert. Und nach Spielende, als sich die beiden Teams zusammen mit einigen Hundert Zuschauern radebrechend näherkamen, wurde der Vorschlag laut, Teamchef Achim Blickhäuser bei so viel Völkerverständigung zum Ehrenpräsidenten der Deutsch-Arabischen Gesellschaft zu ernennen. Deren Chef, der Aachener SPD-Europaabgeordnete Dieter Schinzel, soll entsprechend angegangen werden.
Verworfen wurde indes die Idee, analog zur lila Milka-Kuh auf grün-weiß gestreiften Kamelen den Heimweg ins Aachener Abendland anzutreten (zu wasserscheu). Und Diplombiologe Gotthard Kirch, der waghalsige Kastenwart, konnte sich im Flieger der Tunis Air mit dem naturbewußten Vorschlag, mit Tempo 100 dem Ozon zuliebe heimzugleiten, nicht gegen die Schwerkraftgesetze durchsetzen.
In der Heimat indes wartete der grauslige Liga-Alltag mit dem nächsten Gegner, dem Altrivalen Roter Stern Sowiso. Am Wochenende setzte es eine 3:6-Niederlage. Blickhäuser, dessen Gegenspieler fünf Tore schoß („Der hat sich wohl ein halbes Jahr auf das Spiel vorbereitet“) überlegt nun, für immer ins Fußballexil Tunesien auszuwandern und dort die erste Bunte Liga Afrikas zu gründen. Allah sei mit den Ungläubigen. Bernd Müllender
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