PRESS-SCHLAG: Lehrstück für Möller
■ Der rebellische Club Flamengo aus Rio de Janeiro verklagt die FIFA/ WM 1994 ohne Brasilien?
Gleich mehrmals winkte der Weltfußballverband FIFA mit einem soliden Zaunpfahl in Richtung Andy Möller. Ordentliche Gerichte will dieser möglicherweise anrufen, um das Recht zu erstreiten, weiter bei Eintracht Frankfurt kicken zu dürfen, notfalls sogar den Europäischen Gerichtshof. Der wird dem von Juventus Turin optierten Fußballer wahrscheinlich Recht geben, denn den Institutionen der Europäischen Einigung ist die Sondergerichtsbarkeit der FIFA und der nationalen Fußballverbände schon lange ein Dorn im Auge. Immer heftiger dringt beispielsweise die EG-Kommission darauf, daß die Ausländerklauseln fallen und auch andere vorsintflutliche Bestimmungen endlich den Normen des europäischen Arbeitsrechts angepaßt werden.
Der Fußball jedoch wacht eifersüchtig über seine Gerichtsbarkeit und die Gültigkeit seiner Satzungen. Wer es wagt, an den Grundfesten der Verbandsautonomie zu rütteln, wird mit drastischen Strafen zurück ins Glied befördert. Vor einigen Jahren drohte die FIFA dem spanischen Fußballverband den Ausschluß an, weil sich der Innenminister mit spielerfreundlichen Gesetzen, die die Kicker vor Zivilgerichten einklagen können, in die Belange der Clubs eingemischt hatte. Derzeit steht dem brasilianischen Verband (CBF) Ungemach ins Haus, und es könnte sogar sein, daß der dreimalige Weltmeister von der WM 1994 in den USA ausgeschlossen wird.
Das ist bitter für die Funktionäre in Rio de Janeiro, die bei der ganzen Affäre doppelt gelackmeiert sind. Stein des Anstoßes ist nämlich eine Klage, die der Verein Flamengo Rio de Janeiro just gegen den brasilianischen Fußballverband angestrengt hatte. Der Club wollte mit seinem Gang vor ein ziviles Gericht gegen die Ernennung von Ricardo Texeira — total inkompetent, aber dafür der Schwiegersohn des FIFA-Chefs Joao Havelange — zum CBF-Präsidenten vorgehen. Für seine vorwitzige Aktion wurde Flamengo, Rios populärster Club, seitens der FIFA auf unbegrenzte Zeit von allen internationalen Wettbewerben ausgeschlossen. Als die Sperre auch in Kraft blieb, nachdem der Club seine ursprüngliche Klage zurückgezogen hatte, ging Flamengo den einmal eingeschlagenen Weg munter weiter. Vor einem Schweizer Gericht verklagten die Brasilianer nunmehr die FIFA.
Eine Dreistigkeit, die die Fußballgewaltigen überhaupt nicht gern sahen und die nun ausgerechnet das erste Prozeßopfer Flamengos, der brasilianische Verband, ausbaden soll. „Ein sehr ernster Fall“ sei dies, schrieb FIFA-Generalsekretär Joseph Blatter an den CFB und drohte den Ausschluß der brasilianischen Nationalelf von allen internationalen Turnieren an, wenn es nicht gelänge, den aufmüpfigen Club aus Rio zur Raison zu bringen. Doch der ist keineswegs zum Einlenken bereit.
„Wir setzen das Gerichtsverfahren fort“, erklärte ein Flamengo- Vertreter, „weil das internationale Spielverbot eine grobe Ungerechtigkeit darstellt.“
Während im brasilianischen Fernsehen bereits „das Ende des brasilianischen Fußballs“ an die Wand gemalt wurde, nahm Blatter schon sein potentielles nächstes Opfer ins Visier: Andreas Möller. „Wenn eine Partei vor ein ordentliches Gericht geht“, warnt Blatter, „bringt sie vor allem den DFB in Schwierigkeiten.“ Der Generalsekretär setzt im Fall Möller lieber auf Bundestrainer Berti Vogts, der wenig Interesse an einer WM 1994 ohne Titelverteidiger haben dürfte und seine Vermittlung angeboten hat: „In dem hektischen Frankfurter Umfeld hat er als einziger wohl klaren Kopf behalten.“ Matti
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