PRESS-SCHLAG: Kaputtmacher
■ Der Niedergang von Bröndby Kopenhagen, dem ersten Fußballverein mit eigener Bank
Zwei Legenden entstanden in diesem Jahr in Fußball-Dänemark. Nummer eins: Die rot-weiße Nationalmannschaft gewann die Europameisterschaft mittels der drei Zaubermittel Hamburger, Bier und Liegestuhl. Nummer zwei: Bröndby Kopenhagen, der Club mit eigener Bank, wies den wirtschaftlichen Weg in die Zukunft des Fußballs. Legende Nummer eins soll ruhig in den Geschichtsbüchern verewigt bleiben. Sie ist wunderschön. Legende Nummer zwei allerdings platzte zur gleichen Zeit — und wie!
Bröndby ist Dänemarks erster Fußballklub, der sich wirtschaftlich über eine Aktiengesellschaft absichern wollte. Die Idee dazu hatte der ehemalige Mannschaftsarzt Per Bjerregaard, der 1972 Präsident des Klubs aus dem Kopenhagener Vorort Bröndby wurde. Jahrelang niederklassig, enterte man 1982 die oberste Liga, danach lag man nie schlechter als auf Rang vier — meist aber besser. Nach dem Erreichen des UEFA-Cup-Halbfinales vor zwei Jahren gab Bjerregaard ein ziemlich ehrgeiziges Ziel aus: „Wir wollen den Europa-Pokal, und das nicht nur einmal.“
Bei einem Zuschauerschnitt von gerade mal 7.000 mußten andere Geldquellen erschlossen werden. Bjerregaard entwickelte gemeinsam mit seinen Freunden Leif „Luffe“ Jensen (ein Börsenspekulant) und Finn Andersen das Modell einer Aktiengesellschaft. Ende der 70er plazierte die „Bröndby- Mafia“ die Bröndby AG an der Börse, als Sicherheit diente vor allem das „Gilhoy-Sportcenter“. Das war eine von der Gemeinde Bröndby für 8,5 Millionen Kronen (rund drei Millionen Mark) abgekaufte Schule, deren Umbau 50 Millionen Kronen kostete.
Das Aktienkapital der Bröndby AG stieg von 30.000 (1978) auf 55 Millionen Kronen (1992), die „Bröndby-Mafia“ um Bjerregaard kontrollierte die AG über die A-Aktien der darüber geschalteten Euro Sportholding AG. Ein weiteres Drittel besitzen die „Bröndby-Veteranen“ und den Rest die „Freunde von Bröndby“. Dazu gehörte auch Bürgermeister Kjeld Rasmussen, der mit Bjerregaard 1972 einen erst jetzt bekanntgewordenen Vertrag schloß. Wenn sich der populäre Vereinspräsident aus der Politik heraushielte, würde Rasmussen immer für Unterstützung durch die Gemeinde sorgen.
Als Höhepunkt der geschäftlichen Aktivitäten kamen die Bröndby-Chefs auf die Idee, sich eine Bank zuzulegen: die Interbank. Der Kaufpreis sollte über einen gestiegenen Kurs der Bröndby-Aktie aufgebracht werden — man hoffte auf Einnahmen in Höhe von 135 Millionen Kronen.
Doch es kam anders. Im Europacup-Viertelfinale schied man gegen Dynamo Kiew aus — Einnahmeverlust: zehn Millionen Kronen. Die Aktie fiel postwendend, so borgte man sich Geld bei einer holländischen Bank — monatliche Zinsbelastung 2,5 Millionen Kronen. Die Bröndby-Aktie stürzte ab, und auch in der Meisterschaft ging fortan alles schief. Der beliebte Trainer Morten Olsen wurde im Frühjahr gefeuert, nachdem man ein paar Tage zuvor seinen Vertrag um drei Jahre verlängert hatte — wieder zehn Millionen Kronen rausgeschmissen. Auch in der Interbank breitete sich Panik aus — der Vorstandsvorsitzende Kurt Melsing trat zurück, viele Mitarbeiter kündigten.
Nun suchten die Spekulanten fieberhaft nach einer Lösung. Zunächst wurde erwogen, die Sicherheiten abzustoßen und die Bank zu behalten. Doch die Sicherheiten galten plötzlich als viel zu hoch bewertet — und die Bank war selbst in der Krise. Bjerregaard trat Ende Mai zurück, zieht aber weiter im Hintergrund die Fäden. Der wahrscheinliche Hauptschuldige, Luffe Jensen, verschwand von der Bildfläche. Der neue Bröndby-Chef Karoly Nemeth will künftig nur noch mit Fußball Geld verdienen. Börsenspekulationen solle es nicht mehr geben. Die Interbank soll verkauft werden. Der zunächst absehbare Verlust beträgt mindestens 45 Millionen Kronen (12,5 Mio. DM), wahrscheinlich aber weit mehr. Die Kopenhagener Tageszeitung Information zieht das Fazit: „Der ambitionierte Klub aus dem Westend wurde vom Frontläufer zum Kaputtmacher des dänischen Klub-Fußballs.“ Falk Madeja
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