PORTRAIT: „Die WAA war mein Schlüsselerlebnis“
Edda Rettelbach, Aktivistin beim WAA-Erörterungstermin ■ Von Bernd Siegler
Seit nunmehr fast vier Wochen sitzt sie zehn Stunden täglich in einer ausrangierten Metzgerei am Jobplatz in Neunburg vorm Wald. Sie bedient ca. 80mal am Tag das Telefon, redet mit den angereisten WAA-Einwendern, vermittelt zwischen den Sachbeiständen, gibt Informationen an die Presse weiter und versucht, Ordnung im Chaos zu halten. Edda Rettelbach, 47 Jahre alt, Mutter von zwei Söhnen , ist das Herz der „Koordinationsstelle in Neunburg“, unverzichtbarer Bestandteil für die Anlaufstelle der WAA-Gegner für den Erörterungstermin.
Kurz nachdem 1981 in Neunburg eine Ortsgruppe der BI gegen die WAA gegründet worden war, kam Edda Rettelbach dazu. Als Anfang 1982 die Oberpfälzer Orte Steinberg, Teublitz und Wackersdorf in Bayern als mögliche WAA-Standorte auserkoren wurden, ging sie das erste Mal gegen die WAA auf die Straße. „Mehr aus Gefühl, daß die Radioaktivität nichts Gescheites ist“, bekennt sie. Mit der BI ist die Hausfrau politisch geworden. „Die WAA war mein Schlüsselerlebnis.“
In den letzten sieben Jahren hat Edda Rettelbach ihre „ganze Kraft in den WAA-Widerstand reingehängt“. „Ich habe viel dazu gelernt und einen anderen Lebensinhalt als früher gewonnen“. Auswirkungen auf frühere Bekannte bleiben da nicht aus. Man sei eben nicht mehr auf der gleichen Wellenlänge, erklärt sie.
Die Polizeieinsätze rund um das WAA-Gelände wird sie nicht vergessen, das waren „Zäsuren“ im WAA-Widerstand. Als sie selbst einmal beim Besuch des damaligen bayerischen Innenministers Hillermeier in Schwandorf von einem Polizisten rüde die Treppe hinuntergestoßen wurde, ging ihr das an die Seele, „wenn man da so ohnmächtig dasteht“. Einen Stein würde Edda Rettelbach trotzdem nie in die Hand nehmen. „Der Friede geht da vor.“
Wenn nach langen Koordinationsgesprächen mit den Rechts und Sachbeiständen ihr derzeitiger Alltag beendet ist, ist es bereits 22 Uhr abends – oder später. Am Wochenende muß Edda Rettelbach dann den Haushalt in Schuß bringen.
Am Montag sitzt sie wieder in dem gekachelten, nur spärlich eingerichteten Raum. Wie sie das aushält? „Ja, das zehrt schon manchmal“, gibt sie zu, „wichtig ist die Hoffnung, daß man was bewirkt.“ Sollte der Erörterungstermin noch nach dem 15.August weitergehen, wird Edda Rettelbach trotzdem in Urlaub fahren. „Da muß ich auf meine Familie Rücksicht nehmen.“ Wenn ihr Mann nächstes Jahr in Ruhestand geht, verläßt sie Neunburg in Richtung Bad Reichenhall in dem Bewußtsein, daß ihr viel fehlen wird.
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