PORTRAIT: Die Privatisierung liebte Birgit Breuel schon immer
■ Die Ex-Ministerin soll Rohwedder-Nachfolge antreten
„Es gibt kein Butterbrot umsonst“ — so lautet der programmatische Titel eines Buches, in dem Birgit Breuel einst die Qualitäten des Marktes pries. Die 53jährige gelernte Einzelhandelskauffrau, die nun die Chefin der Berliner Treuhandanstalt werden soll, hat in ihren zwölf Jahren als Landesministerin in Hannover stets für die reine Lehre der Marktwirtschaft gekämpft. Sie wollte „weniger Staat und mehr Markt“, stritt gegen die „Subventionitis“, und der „Bürokratismus“ galt ihr als „westliche Form des Sozialismus“. An der Spitze des größten Staatskonzerns der Welt kann sie nun ihr liebstes Steckenpferd zum Hauptberuf machen: die „Privatisierung“.
„In der Marktwirtschaft“, so schrieb Birgit Breuel 1987, nachdem sie vom Wirtschafts- in das niedersächsische Finanzministerium gewechselt war, „sind grundsätzlich alle Güter und Leistungen im privaten Wettbewerb zu produzieren und über den Markt bereitzustellen.“ Kollektive Regelungen seien nur in Ausnahmefällen zulässig, die der „stichhaltigen Begründung“ bedürften. Schon bald, nachdem die streitbare Hanseatin 1978 von der Wirtschaftssprecherin der Hamburger CDU- Fraktion als Vorzeigefrau in das erste Kabinett Albrecht aufgerückt war, richtete sie ein eigenes „Privatisierungsreferat“ ein. In Rede stand damals nicht nur der Verkauf von Landesbeteiligungen; die Landesregierung prüfte zudem Privatisierungsmöglichkeiten im Krankenhausbereich, in der Bau-, Hafen- und Forstverwaltung sowie einzelner Kultureinrichtungen.
In ihrem Buch Den Amtsschimmel absatteln bekannte sich Birgit Breuel zu einer Wirtschaftstheorie, deren katastrophale Folgen heute in vielen Elendsquartieren der Dritten Welt in die Augen springen: die „Schule des Chikagoer Nobelpreisträgers Milton Friedmann“, so Breuel, sei die einzige „nennenswerte Bewegung in der Wirtschaftswissenschaft“.
Aus ihrer neoliberalen Grundeinstellung hat Birgit Breuel auch kein Hehl gemacht, als sie im September vergangenen Jahres in den Treuhand- Vorstand berufen wurde. Es sei nicht die „Aufgabe der Treuhand, alle Unternehmen erst einmal zu sanieren“, bekannte Breuel. Als Ministerin hat sie allerdings weitaus mehr in Worten als durch Taten privatisiert. Sie bescherte Niedersachsen zwar in Algermissen die erste private Kläranlage der Republik, und die Hafenbaggereien in Emden und Cuxhaven gingen an private Eigner über. Doch wie ihr Lieblingsprojekt eines „privaten Wesertunnels“ blieben ihre Vermarktungspläne meist in den Ansätzen stecken. Es fielen sogar grobe Sünden gegen die reine Lehre in ihre Amtszeit: Als etwa Mobil Oil ihre Raffinerie in Wilhelmshaven schließen wollte, kämpfte die Wirtschaftsministerin um den Standort und gründete sogar die landeseigene „German Oil“, die das Unternehmen dann übernahm. Unter Birgit Breuel konnten sich auch niedersächsische Unternehmen, die mit Schließung oder Arbeitsplatzabbau drohten, der Subventionshilfe des Landes sicher sein — und bekamen so immer noch weit mehr als „ein Butterbrot umsonst“. Jürgen Voges
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