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PORTRAITVom Marxisten-Leninisten zum US-Freund

■ Mit Meles Zenawi bekommt Äthiopien einen der jüngsten Staatschefs der Welt

Berlin (taz) — „Die Unterernährung wird enden, der Hunger wird enden, die Konflikte mit Nachbarländern werden enden, und die Konflikte innerhalb des Landes werden enden.“ Es ist ein einfaches Programm, das Meles Zenawi, Vorsitzender der siegreichen „Revolutionären Demokratische Front des Äthiopischen Volkes“ (EPRDF) am Dienstag in London vorstellte. Unter dem Emblem der EPRDF, einem Maschinengewehr umgeben von einem Zahnrad- und Ährenkranz, versprach Äthiopiens mutmaßlicher neuer Machthaber Demokratie und Wirtschaftsreformen. „Wir erwarten, daß Äthiopien ein wirklich demokratisches und geeintes Land sein wird — geeint nicht durch Waffengewalt, sondern durch die Willensbekundung der betroffenen Völker.“

Mit seinen 36 Jahren wird der aus Tigray stammende Zenawi, dessen Bestätigung als Leiter der Übergangsregierung durch die EPRDF-Führung als Formsache gilt, einer der jüngsten Staatsführer der Welt sein. Hinter dem raschen Aufstieg verbirgt sich jedoch eine wechselvolle Biographie. Als 1974 das äthiopische Kaisertum stürzte, war der einstige Zögling der britischen Schule in Addis Abeba Medizinstudent an der Universität der Hauptstadt. Diese war damals Zentrum des äthiopischen Marxismus-Leninismus und kritisierte das neue Regime von links. Zenawi ging 1975 nach Tigray in die Berge und schloß sich der neugegründeten kommunistischen „Tigray-Volksbefreiungsfront“ (TPLF) an.

Seinen Weg nach oben fand Zenawi im politischen Flügel der TPLF, der 1985 gegründeten „Marxistisch- Leninistischen Liga Tigrays“ (MLLT). Er stieg zum Führer der MLLT auf und machte sich sodann daran, die ideologischen und ethnischen Grundlagen der TPLF zu verbreitern. Die Gründung der EPRDF, einer Allianz verschiedener Oppositionsgruppen unter Führung der TPLF, im Jahre 1989 geht im wesentlichen auf ihn zurück, ebenso die Übernahme eines westlich-liberalen Programms bei dem ersten Kongreß der neuen Organisation im Februar dieses Jahres.

Meles Zenawi, ein äthiopisches Chamäleon? Der ehemalige kommunistische Kader verurteilt inzwischen die „monolithische, atheistische und exklusive Ideologie des Marxismus-Leninismus“. Mehr als die eigenen deklarierten Absichten wird jedoch die Tatsache, daß er seine Macht weitgehend den USA zu verdanken hat, seine zukünftige Politik bestimmen. D.J.

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