PORTRAIT: Der eitle, gierige Alte
■ Der machtbesessene Leichtathletik-Chef Primo Nebiolo (68) wurde von Präsident Samaranch ins IOC berufen
Juan Antonio Samaranch hat seinen Blanko-Scheck vorgelegt: Am Samstag ernannte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) erwartungsgemäß den Italiener Primo Nebiolo zum IOC-Mitglied. Nebiolo, bekannt als ehrgeiziger Präsident des Internationalen Leichtathletik- Verbandes (IAAF), ist das 94. IOC-Mitglied und das erste, das nicht von der Vollversammlung gewählt wurde. Diese hatte ihr ausschließliches Wahlrecht im Februar in Courchevel preisgegeben, als sie Samaranch zugestand, zwei IOC-Mitglieder nach eigenem Gutdünken zu berufen.
Der 68jährige Nebiolo, seit 1981 an der Spitze der IAAF und seit 1983 auch Präsident der Vereinigung Olympischer Sommersportarten (ASOIF), ist allerdings IOC-Mitglied auf Abruf. Der Turiner Bauunternehmer bleibt nur im IOC, solange er der IAAF vorsteht. Doch daran zweifelt in absehbarer Zeit niemand, am wenigsten der machtbewußte Mann selbst.
Die Eitelkeit des Primo Nebiolo wird höchstens noch von seinem Selbstbewußtsein übertroffen. Seit fast elf Jahren herrscht der Italiener als Präsident wie ein absolutistischer Fürst über den Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF). Nun ist er am Ziel seiner Wünsche: Mitglied im IOC. Dabei ist seine nationale Karriere längst gestoppt. Als Präsident des Italienischen Leichtathletik-Verbandes (FIDAL) mußte er seinen Hut nehmen, als nach der Weltmeisterschaft 1987 in Rom seinem Landsmann Giovanni Evangelisti die Bronze-Medaille im Weitsprung wieder abgenommen wurde, weil sich die Kampfrichter zu offensichtlich „vermessen“ hatten. Auch mit seiner Bewerbung um das Präsidenten-Amt des Nationalen Olympischen Komitees von Italien (CONI) scheiterte der mittlerweile 68jährige.
Doch international steht Nebiolo auf festen Beinen. Zwar wird immer wieder, meist hinter vorgehaltener Hand, Kritik an seiner Amtsführung als IAAF-Präsident und als Chef der Vereinigung Olympischer Sommersportarten (ASOIF) geübt. Doch kommt es zum Schwur, rührt sich keine Stimme gegen ihn: Er straft und belohnt mit Posten und Pöstchen.
Wer sich ihm in den Weg stellt, muß gehen. Zuletzt kündigte der Brite John Holt die Zusammenarbeit auf. Der langjährige Generalsekretär der IAAF mochte nicht mehr mit ansehen, mit welcher Ignoranz sich sein Präsident über alle Regeln des Verbandes hinwegsetzte oder sie nach seinem Gusto zurechtbog. Der chaotische IAAF- Kongreß 1989 von Barcelona, bei dem Ben Johnson nachträglich alle Rekorde und Titel verlor und bei dem danach niemand wußte, was beschlossen worden war, sowie die handstreichartige Einführung von Weltmeisterschaften alle zwei Jahre und die Doping-Heuchelei der IAAF sind nur einige der „Meisterwerke“ des machtbesessenen Nebiolo.
Nun darf er also im IOC mitmischen, das er mit aller Macht und mit allen Mitteln angestrebt hat. Der Schachzug von Samaranch erscheint genial. Es wird nicht lange dauern, bis der Spanier erkennen wird, ob er Nebiolo damit diszipliniert hat und die Eitelkeit und das Machtstreben des Italieners nun befriedigt sind. Hans-Hermann Mädler (dpa)
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