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PORTRAETDer Hofgärtner von Sanssouci und der Müll

■ Seit 1959 pflegt Dr. Harri Günther die königlichen Gartenanlagen in Potsdam: »Sanssouci ist mein Leben«

Potsdam. Der alte Kupferstich, der über dem Schreibtisch in Harri Günthers Arbeitszimmer hängt, ist 138 Jahre nach seiner Entstehung immer noch aktuell: 1853 fertigte der damalige Hofgärtner des Schlosses Sanssouci den Plan der königlichen Gartenanlage an. Seitdem dient der Stich, zusammen mit über 20.000 weiteren alten Plänen, als Grundlage für die Pflege des Schloßgartens und der anderen Anlagen von Sanssouci — in den letzten drei Jahrzehnten unter der Regie von Dr.Harri Günther.

Seit 1959 ist er Gartendirektor von Sanssouci, zuständig für alles, was in dem 300 Hektar großen Schloßpark grünt und blüht. Nach dem Studium der Garten- und Landeskultur übernahm der gebürtige Dessauer diesen Posten und zog an seinen Arbeitsplatz in das 1753 erbaute, gelbe Steinhaus am Fuße der Weinbergterrassen, auf denen das Schloß thront. Im Laufe der Jahre hat der Gartendirektor eine sehr persönliche Beziehung zum Schloßpark entwickelt: »Ich bin mit der Anlage verheiratet«, sagt er, »Sanssouci ist mein Leben.«

Das bezieht Harri Günther auch auf die anderen Park- und Gartenanlagen Potsdams, um die er sich ebenfalls kümmern muß: Insgesamt 650 Hektar Land, deren Instandhaltung ihm und seinen 80 Mitarbeitern sehr viel Engagement abverlangt, zumal das Gebiet noch um einige ehemalige Grenzstücke gewachsen ist. Die Vereinigung wirkt sich für den Gartendirektor auch in anderen Bereichen deutlich aus — »hauptsächlich sehr positiv«, versichert Harri Günther: »Wir haben jetzt einen größeren Etat zur Verfügung, kommen leichter an die notwendigen Materialien und können mit modernen Maschinen arbeiten. Die Zeiten, in denen wir die Hecken im Schloßpark mit der Hand geschnitten haben, sind vorbei.« Zwar ist die Zahl der Arbeitskräfte für die anfallenden Arbeiten immer noch »sehr niedrig«, aber im Vergleich mit anderen Einrichtungen der ehemaligen DDR scheinen Harri Günther und seine Kollegen Glück zu haben: »Wir brauchen niemanden zu entlassen. Das ist ja momentan schon etwas Besonderes.« Die positiven Folgen der Vereinigung, zu denen auch der Austausch mit Kollegen aus dem Westen gehört, können dabei nicht verdecken, daß sich für Sanssouci auch einiges verschlechtert hat: »Der Tourismus ist seitdem so enorm angestiegen«, klagt Harri Günther. »Wenn an einem Sonntag etwa 25.000 Menschen hierherkommen, dann merkt man die Folgen sehr deutlich. Zuerst wußten wir nicht, wohin wir mit dem ganzen Müll sollten. Aber damit wird man fertig. Viel schlimmer ist es, wenn die Rasenflächen zertreten werden.« Sorgen bereitet ihm auch die um ein Vielfaches gestiegene Zahl der Besucherautos: »Im letzten Jahr sind viele Rasenflächen im Umkreis des Schlosses einfach zerfahren worden. Jetzt haben wir Absperrungen angebracht — aber die Parkplatznot löst sich dadurch ja nicht.«

Verbittert ist Harri Günther deswegen allerdings nicht, das widerspräche seiner »Lebensphilosophie«: »Wir gehören ja zu den wenigen, die dem Menschen Freude bereiten. Und wenn sich die Leute, die in der Stadt leben müssen, an unserer Arbeit erfreuen, dann ist das doch das wichtigste.« In zwei Jahren wird diese Maxime jemand anderes fortführen müssen; ab 1993 ist Harri Günther Rentner. Der Gedanke daran fällt ihm nicht leicht. »Aber das ist wie im Gartenleben«, sagt er schulterzuckend, »alles lebt, wächst und stirbt. Damit muß man sich abfinden.« Lars von Törne

[Ein Verkehrs-Tip: Die S-Bahn fährt direkt hin: S-Bahn-Station Wildpark, von dort aus fünf Minuten laufen, schon ist man da. Die Blechbüchsen können zu Hause bleiben und verstopfen nicht Potsdam! d. säzzer]

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