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Archiv-Artikel

PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH Besuch beim Drogenbaron von Miami

Live dabei beim Großeinsatz gegen Rauschgifthändler mit den netten Jungs von der schnellen Eingreiftruppe

Das Hauptquartier der Polizei in Miami, Florida, liegt in der Northwest 2. Avenue, genau zwischen dem Schwarzenviertel „Allapattah“ und „Little Havanna“, dem Wohnviertel der kubanischen Einwanderer. „Workingclass and lower middleclass“, sagt Officer Carlos Alayon, selbst Kind von Einwanderern, aber inzwischen eben upper middleclass, als wir in seinem Streifenwagen das Gebiet abfahren, wo sie heute Nacht einen Drogenhändler festnehmen wollen. „Die Schwarzen nehmen meist Heroin, die Latinos Kokain und Marihuana. Ecstasy haben wir hier kaum, das nehmen die Kids der Reichen in Miami Beach.“ Es ist alles schön geordnet in Amerika.

Auch von den Namensgebung können wir noch viel lernen: Die zehn kräftigen jungen Männer in Zivil, mit Pistolenhalfter unter dem Sweatshirt und in Turnschuhen, gehören zum „Crime Suppression Team“ (CST) zu deutsch ungefähr: „Verbrechensunterdrückungsgemeinschaft“ (VUG). Man erkennt schon am Wort den Unterschied: Hier der schwerfällige, bürokratische deutsche Polizeiapparat, dessen Mitarbeiter von der Bevölkerung am liebsten noch mit „Herr Wachtmeister“ gegrüßt würden – und dort die coolen Jungs mit den umgekehrten Baseballmützen auf dem Kopf. Ich setzte mich Dienstag dieser Woche zu einem von ihnen in den schwarzen Ford-Geländewagen – und die Jagd auf den Drogenboss konnte beginnen. Irgendwoher wussten die Cops, dass in einer Wohnung in „Little Havanna“ immer wieder Drogen verdealt wurden. Wahrscheinlich hatte ihnen ein Nachbar den Tipp gegeben. Und nun war der Abend gekommen, an dem der Dealer sein letztes Geschäft machen sollte.

Wir hielten mit unserem schwarzen Ford vor einem kleinen Einkaufszentrum. „Das gelbe Haus dort“, sagte meine Baseballmütze und zeigte auf ein etwas heruntergekommenes Gebäude. Ein unauffälliger Van mit abgedunkelten Scheiben stand so am Straßenrand geparkt, dass der darin versteckte Einsatzleiter den Eingang des Hauses überwachen konnte. Es dauerte nicht lange, da krächzte das Funkgerät. „Mann mit rotem T-Shirt und Jeans kommt heraus und steigt in einen blauen Mitsubishi.“

Wir starteten sofort und waren an der nächsten Ampel schon direkt hinter ihm. Die Baseballmütze gab das Nummernschild durch und die genaue Position. Jedes Mal, wenn wir eine Kreuzung überfuhren, gab er die Straßenkoordinaten durch, so dass die anderen Zivilfahnder uns finden konnten. An einer günstigen Stelle war der Mitsubishi von sieben zivilen Polizeifahrzeugen eingekeilt worden. In Sekundenschnelle sprangen die wirklich gut gebauten Jungs zur Fahrertür und zerrten den Mann heraus. „Hände aufs Dach“, brüllte einer, während die andern schon den Wagen und alle Hosentaschen durchsuchten. Tatsächlich: Der Mann hatte Rauschgift in der Tasche. Schätzungsweise ein Gramm Marihuana in einem Plastiktütchen verpackt. Zwei Minuten später war der Gefängniswagen da und der Mann mit Handschellen gefesselt darin verfrachtet. Wir nahmen wieder Position ein.

Der Nächste, den wir verfolgen, hatte uns wohl bemerkt. Wir hingen ja schließlich auch direkt an seiner Stoßstange, und wo immer er abbog, bogen auch wir ab. Dann gab er auf einmal Gas – und wir hinterher. Eine kurze Verfolgungsjagd, dann hatten meine Jungs ihn nach der alten Methode wieder eingekeilt. Der Mann wollte gerade sein Tütchen mit Marihuana in den Mund zu schieben, als er in den Lauf einer Pistole schaute. „Ausspucken, sofort“, schrie einer, und ein anderer zerrte ihn an den Haaren auf die Straße.

Nach zwei Stunden saßen so sieben Marihuana-Käufer mit Handfesseln auf dem Rücken im Gefangenentransporter. Nur der Dealer noch nicht. Den holten wir am Schluss. Am Ende eines schmalen Flurs ging es die Treppe hinauf. Der Dealer, der uns zunächst für Kunden hielt, wartete schon vor der Tür seines armseligen Zimmers. „Oh God“, entfuhr es ihm, als die „Kunden“ plötzlich ihre Ausweise zückten. Es war ein älterer Mann in unsagbar dreckigen Klamotten. Ein Exilkubaner, der wohl einmal in der Hoffnung in die USA geflohen war, ein besseres Leben zu führen. Nach einigen Überredungskünsten ließ er uns in sein Zimmer, andernfalls hätten die Fahnder einen Hausdurchsuchungsbefehl benötig. Das dann doch. So aber ging alles schneller. Zwischen den stinkenden Klamottenbergen lagen Essensreste und Müll. An den Wänden krabbelten Kakerlaken.

In einem Regal fanden wir schließlich die Drogen: Einen alten Schuhkarton, in dem der Alte vielleicht 30 Gramm getrocknete Marihuanablätter aufbewahrt hatte. Er weinte. Meine Cops lachten. So hatte alles wieder seine Ordnung.

Fragen zu Drogen? kolumne@taz.de Dienstag: Jenni Zylka über PEST & CHOLERA