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Archiv-Artikel

PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH Kein sexuelles Interesse

Auch männliche taz-Leser sind nur männliche Leser. Jedenfalls wenn es um Pornostar Sibylle Rauch geht

Vielleicht stelle ich zunächst Folgendes klar: Ich habe keine Telefonnummer mehr von Sibylle Rauch. Wähle ich die in meinem Handy unter „Rauch“ gespeicherte Nummer (0 17 19 23 40 76), sagt eine Frauenstimme immer nur: „Diese Nummer ist uns nicht bekannt.“ Hier könnte der erste männliche taz-Leser jetzt schon laut auflachen. Nummer und Rauch – verstehst?

Was ihre aktuelle postalische Anschrift anbelangt, bin ich leider auch überfragt. Meine letzten Informationen stammen noch aus der Zeit, als die gestrauchelte Pornoqueen in einem Wohnwagen am Starnberger See lebte. Dass sie dort aber heute nicht mehr wohnt, entnahm ich der Bild vor ein paar Wochen. Ich schreibe das alles nur, um zu vermeiden, dass mich in den kommenden Tagen wieder eine Flut von Anfragen männlicher taz-Leser erreicht, die unbedingt Kontakt zu Sibylle aufnehmen möchten, um ihr zu helfen. (Jetzt dürfen die weiblichen Leserinnen auch einmal lachen.) Offenbar schwillt bei vielen Männern, hören sie den Namen Rauch, auch das Herz. Jedenfalls gab es noch nie so viele Leser-Reaktion auf meine Kolumne wie nach jener über Sibylle Rauch.

Oliver W. schrieb mir beispielsweise: „Ich strebe an, Frau R. ein äußerst seriöses Jobangebot zu machen. Sehr gute Bezahlung, Sozialversicherung, Wohnung, etc. Kein Film, kein Foto, ganz seriös.“ So weit Oliver W. Jetzt darf ich auch mal lachen. Sibylle Rauch an der Supermarktkasse? Oder als Fahrausweiskontrolleurin in der S-Bahn? Super Idee, Oliver W. Weiter so. Kommen wir zu „A.K.“, mehr gab er von seinem Namen nicht preis. „Hallo und guten Tag, ich habe Ihren Bericht gelesen und bin schockiert. Kann man denn dieser Frau nicht irgendwie helfen? Ich würde gerne helfen oder sie mal besuchen.“ Und dann noch ein bisschen kuscheln, mein lieber A.K., wie? Nein, nein, so geht das nicht. Da scheint mir die Bitte von Uwe H. schon ehrlicher. „Wissen Sie vielleicht, über welche Agentur oder welchem Agenten man Kontakt aufbauen kann, um sie zu buchen für ein Fest?“ Uwe H. ist (obwohl er dem Akkusativ nicht beherrscht) wahrscheinlich Vorsitzender des Lionsclub in Iserlohn und hat sich für die diesjährige Weihnachtsfeier eine Überraschung ausgedacht: „Und nun, meine Herren, unser special guest, Sibyllllllllle Rauch!!!!“ Noch Monate würde man in Iserlohn von dieser Feier reden.

Wer nun abwinkt und sagt, der deutsche Mann sei eben so, dem sage ich: Der österreichische Mann ist auch so. Aus Wien jedenfalls ereilte mich diese Bitte von Markus H.: „Können Sie mir etwas über Frau Rauchs momentanen Gesundheitszustand sagen? Ist Frau Rauch noch auf der Suche nach einem Job? Wären Sie vielleicht so nett und würden den Kontakt zwischen Frau Rauch und mir herstellen? Ich würde Frau Rauch gerne interviewen, es sollte eine Reportage über Frau Rauch und ihren Auf- und Abstieg im Pornobusiness sein. Die Reportage sollte dann in einem Erotikmagazin erscheinen (KEIN Schmuddelmagazin!!!).“

Pech gehabt, lieber Markus H. Wäre es ein echtes Schmuddelmagazin gewesen, hätte ich vielleicht mit mir reden lassen. Aber diese komischen Blättchen mit den schwarzen Balken über den Genitalien und den Sternchen auf den Brustwarzen, die lassen wir doch lieber, wo sie hingehören.

Auf meiner langen Suche, wo das Gute im Menschen sitzt, bin ich ein gutes Stück tiefer gerutscht. Ich hatte ja schon lange den Verdacht, dass viele Männer mit dem festen Vorsatz ins Bordell gehen, die ausgebeuteten Frauen zu befreien. Erst im letzten Moment überlegen sie es sich dann anders. Übrigens, was mich betrifft: Ich glaube, Sibylle Rauch hat längst wieder einen Job. Bei der Deutschen Telekom. Dort sitzt sie als Telefonistin – und wann immer einer ihre alte Handynummer wählt, antwortet sie: „Diese Nummer ist uns nicht bekannt.“

Fragen zu Sibylle?kolumne@taz.deMorgen NEU. A. Hefele: Wie immer, Frau Merkle?