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Archiv-Artikel

PETER UNFRIED NEUE ÖKOS „Wenn er se sich doch winscht“

Adornos Fußballschuhe sind drei Monate alt. Jetzt will er wieder neue. Der Opa unterstützt ihn. Aber nicht mit mir

Adornos Fußballschuhe heißen „Messi Superdingsbums“ und sind sicher nicht älter als drei Monate. Aber nun hat sich die Farbe geändert.

„Wie, die Farbe hat sich geändert?“ Aha: Die Schuhe unseres Fußballgotts haben jetzt grellgelb zu sein und nicht mehr grellorange. Oder umgekehrt. Und deshalb braucht er neue.

Das kommt ja überhaupt nicht infrage. „Nike will dich verarschen“, sage ich. Adorno hat da so einen miesen Spezialblick – keine Ahnung, woher –, um dem anderen klarzumachen, dass der eine Vollnase ist. Den wendet er jetzt an. Ich sei „hobbylos“ beziehungsweise „komplett hobbylos“. Ob ich das wirklich nicht kapierte, dass er unmöglich mit Orange daherkommen könne, wenn Messis Farbe nun gelb sei.

Ich (pastoral): „Ich hatte damals …“ – Und Adorno: „Um Gottes willen, nicht wieder so eine schnarchige Geschichte aus der Steinzeit.“ Was heißt hier Steinzeit? Siebziger Jahre halt. Da hatte ich am Anfang Günter-Netzer-Schuhe, das wird man doch wohl noch sagen dürfen in diesem Land. Gebraucht gekauft. Im Lauf meiner langen und unerfolgreichen Karriere hatte ich insgesamt sieben Paar Fußballschuhe. Er ist D-Jugend und braucht sieben in einem Jahr.

Wir variieren unsere Sätze bei steigender Lautstärke. Dann sagt Adorno: „Das hat keinen Sinn“ – und schickt mich in mein Zimmer. Ich weiß, was er vorhat. Allianzen schmieden mit seiner konsumbereiten Mutter. Oder Schlimmeres.

Zehn Minuten später klingelt das Telefon. Der schwäbische Metzgermeister. Mein Schwiegervater. Wusste ich es doch. „Otto, schön, dass du anrufst.“ – „Ha, jetzt kaufat dem Bua halt seine Kickschua!“

Ich weiß, wie es laufen wird. Aber ich habe halt auch meine Rolle zu spielen und sage daher, dass er erst neue gekriegt habe.

„Aber wenn er se sich doch winscht.“ Ich winsch mir auch ab und zu Sachen. „Ha, no kauf i se halt.“ War ja klar. Ich sage, dass es nicht ums Geld gehe, sondern ums Prinzip. Dass wir Schuhe wollen, die getragen werden, solange sie passen, und dass er, Otto, doch alles andere als ein Konsumfetischist sei.

„Aber wenn er se sich doch winscht.“ Als er das zum vierten Mal bruddelt, sage ich: „Otto, es geht um den Rückbau des globalen Produktionswahnsinns. Wir müssen als Gesellschaft downsizen!“ Stille am anderen Ende der Leitung. Dann Seufzen.

Wer wisse denn, wie viel Zeit ihm, Otto, überhaupt noch bleibe. Er wolle dem Bua doch nur eine Freude machen. Genau das sagt er dann auch seiner Tochter.

Eine Minute später stehen Adorno und die Macht in der Tür. Er grinst fies. Sie hat vor Rührung noch feuchte Augen. Und mir kommen auch gleich die Tränen.

Der Autor ist taz-Chefreporter Foto: Anja Weber