PETER UNFRIED NEUE ÖKOS : Und was wird aus den Würstchen?
Penelope ist zu den Voll-Vegetariern übergetreten. Schuld sind die globale Situation und Felix Finkbeiner. Und Adorno? Duscht nicht mehr
Jetzt ist Penelope zu den Voll-Vegetariern übergetreten. Bisher aß sie kein Fleisch, aber ab und zu eine Wurst. Nun gar nicht mehr. Das Projekt ist zunächst auf drei Monate befristet. Grund sei die globale Situation und der Anteil der Fleischproduktion am Klimawandel, sagt Penelope. „Bist du sicher“, frage ich, „ab und zu ein Würstchen ist doch auch schön.“ Ja, sie sei sicher. „Gerade jetzt? Wo wir die Kühltruhe voller Würstchen haben.“
Keine Ahnung, warum ich das sage. Vermutlich, weil ich bescheuert bin. Und weil uns Penelopes metzgernder Großvater beim letzten Besuch wieder den Kofferraum vollgewurstet hat. Er war da noch davon ausgegangen, dass sie Bratwurst isst, immerhin, wenn schon leider nicht die ganzen anderen tollen Teile von Tieren.
Penelope hat aber grade ein Buch gelesen, in dem Kinder davon berichten, dass sie Bäume pflanzen. Um so Kohlendioxid zu binden. Titel: „Baum für Baum. Jetzt retten wir Kinder die Welt“ (oekom, 12,90 Euro). Der Autor heißt Felix Finkbeiner, ist zwölf und ein Star. Felix gibt Pressekonferenzen und hält Vorträge in China. Früher hätte man „Streber“ gesagt, aber früher war man auch blöd.
Penelope ist auch zwölf. Noch kein Star. Hält keine Vorträge in China und Felix insgesamt für etwas übermotiviert. Um es mal vorsichtig zu sagen. Was sie wirklich gesagt hat, darf ich nicht schreiben. Aber sie lernt Englisch und findet Felix’ Motto – „Stop talking, start planting“ – „wirklich toll“. Daher hat sie den Urlaub damit verbracht, zu überlegen, was sie tun könnte.
Seit Schulbeginn hat sie alle besten Freundinnen agitiert. Selbst ihr kleiner Bruder wäre unter gewissen Umständen bereit, einen Baum zu pflanzen. Falls es nicht mit dem Spielplan seiner E-Jugend und den Trainingszeiten, der Bundesliga, der Champions League, der WM-Qualifikation und aller anderer im Fernsehen übertragenen Fußballspiele kollidiert.
Weil Adornos Spielplan aber grade sehr dicht ist und Penelopes beste Freundinnen die Bäumepflanz-Disputationen trotz aller Aufklärung am liebsten bei einer Portion Chicken McNuggets besprechen, hat sie sich zur Vollvegetarismus-Phase entschlossen. Isst dafür ab und zu ein Ei, weil sich der einflussreiche Teil der Familie um ihre Proteinzufuhr sorgt. Ich bewundere sie. Wie es aussieht, zieht sie das durch.
„Und was machst du, Adorno, bevor das mit dem Bäumepflanzen losgeht?“ Vegetarier ist er ja schon. Adorno (blitzschnell): „Ich dusche nicht mehr.“ Sehr witzig. Er duscht auch jetzt schon nicht. Allerdings nicht aus ökologischen Gründen, sondern aus Prinzip. Nicht mal nach dem Fußball. Weil das im einflussreichen Teil der Familie als problematisch gilt, hat er daraus eine Geschäftsidee entwickelt, die ihm ökonomische Sicherheit bescheren soll. Er dusche – aber nur, wenn er einen Euro dafür kriege. „Kannst du vergessen“, sage ich ihm, „niemals“. Wo sind wir denn?
Leider wollen die Gerüchte nicht verstummen, dass der einflussreiche Teil der Familie auf diese völlig inakzeptable Abzocke doch tatsächlich eingeht.
■ Der Autor ist taz-Chefreporter Foto: Anja Weber