PEKINGS NEUER ÖKO-REFORMKURS IST DURCHAUS ERNST ZU NEHMEN : Die Roten wollen es besser können
Abgesehen von politischen Reformversprechen hat es in den vergangenen dreißig Jahren selten geschadet, Peking beim Wort zu nehmen. In Sachen Marktöffnung und wirtschaftlicher Umbau hielten die kommunistischen Machthaber ihre Reformversprechen so weitgehend, dass auch nach dem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2001 grundsätzliche Kritik an Chinas Handelsgebaren kaum aufkam. Die neuesten wirtschaftlichen Umbauversprechen der Kommunisten sind also durchaus ernst zu nehmen – auch wenn sie die bisherige Politik Pekings konterkarieren.
Aus Kommunisten, die dem Kapitalismus Tür und Tor öffneten und jahrezehntelang der reinen Wachstumslehre anhingen, werden plötzlich Kommunisten, die den Kapitalismus ökologisch zähmen und sozial lenken wollen. Dabei soll es gleich ans Eingemachte gehen. Das Land hat ja einen Sinn für Radikalität. Ein „neues Entwicklungskonzept“ muss also her, einen „neuen Wachstumsmodus“ will man erfinden, damit die Umwelt nicht weiter zerstört wird und die Armen nicht noch ärmer werden. Mit Deng Xiaopings ökonomischem Pragmatismus hat das nur noch wenig zu tun.
Keine Frage, hier versucht die neue KP-Führung unter Generalsekretär Hu Jintao und Premier Wen Jiabao, der Epoche ihren Stempel aufzuprägen. Aber hat sie überhaupt noch die Macht dazu? Lag nicht gerade der Kern eingelöster Reformversprechen in der Abgabe wirtschaftlicher Kontrollgewalt an den Markt? Wuchert in China nicht längst der Manchesterkapitalismus?
Genau diese Vorwürfe will Peking widerlegen. „Ressourcenarm“ und sozial „harmonisch“ soll der neue chinesische Kapitalismus funktionieren. Ohne dies sei Wachstum unverträglich und bedrohe das Überleben der Partei, glauben Hu und Wen. Mit anderen Worten: Diese beiden sturen, altmodischen Arbeitstiere an der Spitze der KP wollen wieder einen Wettbewerb der Systeme. Sie wollen beweisen, dass ihre Partei den Kapitalismus besser beherrscht als westliche Demokratien und ihm seine ökologischen und sozialen Sünden austreiben kann. Gutes Gelingen! GEORG BLUME