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Archiv-Artikel

PEGIDA UND DIE AUSNAHMEN IN DER „LÜGENPRESSE“: STEPHAN, WEIMER, MATUSSEK, BRODER & DI LORENZO Wie der Herr, so’s Gescherr

DENIZ YÜCEL

Das haben die Pegida-Deppen davon, dass sie das Naziwort von der „Lügenpresse“ herausgekramt haben: Sie genießen zwar deren Aufmerksamkeit, nicht aber ihre Zuneigung. Doch nie ist es billiger, sich als Dissident zu gerieren, als in solchen Momenten, selbst wenn dieser Nonkonformismus aus dem Quatsch besteht, mit dem der Onkel Herbert bei Familienfeiern nach dem dritten Obstler nervt. Es gibt also Ausnahmen.

Zum Beispiel Cora Stephan: „Der Trick hat sich verbraucht, alles unter Naziverdacht zu stellen, was vom Parteienkonsens abweicht.“ Das habe „der Bürger“ durchschaut, frohlockt sie in einem NDR-Kommentar, also im öffentlich-rechtlichen Herzen der Bestie und auf deren Rechnung. In Sachen Nazis hat „der Bürger“ noch mehr durchschaut, man muss ihn nur fragen. Doch mit dem Naziverdacht ist es wie mit dem Hundescheißeverdacht: Wenn es danach riecht, ist man meistens reingetreten.

Ein Wolfram Weimer meint im Handelsblatt: „Pegida hält der Politik einen unangenehmen Spiegel vor, in dem ihre eigenen Tabus sichtbar werden. Das Tabu zum Beispiel, über die Probleme mit muslimischen Minderheiten in Deutschland lieber nicht zu reden.“ Dieses Tabu, das mit dem Tabu der Kritik an Israel zur deutschen Top-Tabu-Liga gehört, zeigte sich 2014 bei Jauch, Will, Plasberg und Illner in 17 Sendungen mit Titeln wie „Deutschland und der Islam – wie passt das zusammen?“.

Auf seiner öffentlich einsehbaren Facebookseite schreibt Matthias Matussek: „Meine Ansicht: wer beim rituellen Treten gegen diese Menschen mitmacht, hat die Gesinnung von HJ-Pöbeln.“ Und die Nürnberger Rassengesetze waren Gesetze zur Bekämpfung von Rassismus. Und Matussek ist der Bonhoeffer unserer Tage. Oder wie der Herr, so ’s Gescherr: Man kann kein Deutsch, ist aber schwer dafür.

Etwas tiefer stapelt Henryk M. Broder: Wenn sich „eine nationale Einheitsfront“ bilde, schreibt er in der Welt, dann „sind wir nicht auf dem Wege in eine neue DDR, sondern bereits mittendrin“. Lieber Henryk, gerne hätte ich mit dir darüber geredet, ob Demokratie nur herrscht, wenn jede Arschgeige jeden ressentimentgeladenen Unsinn verzapfen darf und dennoch für voll genommen wird. Aber seit unser Land ein anderes geworden ist und du mit einem Bein mittendrin in Bautzen stehst, ist das gefährlich geworden. Trotzdem: Du lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit!

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Ach ja, die Zeit. Deren Chefredakteur Giovanni di Lorenzo mahnt: „Im Umgang mit aufgeschreckten Bürgern bringt das Abkanzeln nichts“, um zur Pointe zu kommen: „Bislang haben sich die Deutschen übrigens noch sehr viel vernünftiger verhalten als 1992.“ Damals bemerkte Wolfgang Pohrt: Nur in Deutschland gelte es bereits als Ausweis von Zivilisiertheit, dass man Fremde nicht einfach totschlägt. Pohrt meinte das polemisch, di Lorenzo meint es ernst. Aber vielleicht glaubt er nur, dass eine gewisse Tantenhaftigkeit, mit der man prima eine Wochenzeitung für die ganze Familie machen kann, auch im Politischen eine gute Maxime ist.

Besser: Franz Josef Wagner. Der schreibt in der Bild: „Das Volk ist leider oft dumm.“