PASCAL BEUCKER ZUR TARIFEINIGUNG ZWISCHEN EVG UND BAHN : Auf fremdem Ticket
Wer wissen will, ob Arbeitskämpfe etwas bewirken können, der sollte sich den Abschluss der Deutschen Bahn mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft anschauen. Nach fast einem Jahr Verhandlungen und neun Streiks bekommen die in der EVG organisierten Bahnbeschäftigten jetzt eine Lohnerhöhung von insgesamt 5,1 Prozent, mindestens jedoch 120 Euro mehr im Monat – der GDL sei Dank.
Ohne die querulatorische Lokführergewerkschaft hätte sich der Bahnvorstand schon vor Monaten mit seiner Hausgewerkschaft geeinigt – auf für die Beschäftigten schlechtere Konditionen. So jedoch erreichte die EVG im Vergleich mit den diesjährigen Abschlüssen in der Metall- und Elektroindustrie wie im öffentlichen Dienst ein gutes Ergebnis. Und es liegt weit über dem, was der Staatskonzern ursprünglich bereit war zuzugestehen.
Ein Paradoxon: Erst die Streikentschlossenheit der GDL zwang die Bahn, der streikunlustigen EVG so weitgehend entgegenzukommen.
Gleichzeitig setzte das kämpferische Agieren von Weselsky & Co die EVG-Spitze gehörig unter Druck, nicht einfach einem faulen Kompromiss zuzustimmen. Dass sich die DGB-Gewerkschaft allerdings immer noch nicht sicher ist, wirklich das Optimale für ihre Mitglieder herausgeholt zu haben, zeigt sich an dem Sonderkündigungsrecht, das sie sich hat zusichern lassen, falls die GDL einen besseren Abschluss herausholen sollte.
Ob es dazu kommt, werden die kommenden drei, vielleicht auch vier Wochen zeigen. So lange soll die am Mittwochnachmittag begonnene Schlichtung zwischen GDL und Bahn dauern. Noch ist nicht ausgemacht, ob der Bahnvorstand wirklich an einer Einigung interessiert ist. Schon bisher hat er es sich Hunderte Millionen Euro kosten lassen, die unbotmäßige Spartengewerkschaft kleinzukriegen. Die EVG-Mitglieder sollten die Daumen drücken, dass ihm das nicht gelingt. Sonst fällt ihr nächster Tarifabschluss wieder schlechter aus.
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