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Archiv-Artikel

PARTEIENVERBOTE MÜSSEN HOHE HÜRDEN NEHMEN – AUCH IM FALL DER NPD Politische Opportunisten

Ob politisch sinnvoll oder nicht – es ist auf alle Fälle legitim, erneut ein Verbotsverfahren gegen die NPD zu fordern. Dies um so mehr, als das Bundesverfassungsgericht in seinem Einstellungsentscheid von 2003 jene Möglichkeit ausdrücklich eingeräumt hat. Schließlich ging es um eine Prozessentscheidung und keine in der Sache.

Damals hatte die NPD bei dem Votum davon profitiert, dass der Antrag auf Einstellung des Verfahrens nicht mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit der Richter abgelehnt worden war. Es stand vier zu drei für die Fortführung. Die drei „Einsteller“ waren von einem schwerwiegenden, nicht behebbaren Verfahrenshindernis ausgegangen: zahlreichen V-Leuten in den Leitungsgremien der NPD. Darin sahen sie das Gebot der „strikten Staatsfreiheit“ der Parteien verletzt.

Das Grundgesetz räumt den Parteien eine zentrale Rolle im politischen Leben ein. Deshalb gilt das Parteienverbot wegen verfassungsfeindlicher Zielsetzung oder Betätigung als Ultima Ratio – es ist an strenge Voraussetzungen und Verfahrensregeln gebunden. Schließlich kann gegen ein Verbotsurteil keine innerstaatliche richterliche Instanz angerufen werden. Ausdruck dieser Rechtslage ist gerade die Barriere der Zweidrittelmehrheit.

Daher geht es auf gar keinen Fall, jetzt das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht mit dem Ziel zu ändern, die dort vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit durch einfache Mehrheitsentscheidungen zu ersetzen, um das NPD-Verbot zu erleichtern. Dieser jüngste Versuch einer Reihe von Politikern, zum Beispiel des Vorsitzenden des Innenausschusses des Bundestages, ist zwar rechtlich nicht zu beanstanden, verstößt aber gegen die republikanischen guten Sitten. Man richtet sich das Recht nicht so ein, wie es gerade politisch opportun ist. Deshalb ist es auch unzutreffend, wenn der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch erklärt, bei der geplanten Gesetzesänderung handle es sich um eine zweitrangige Angelegenheit.

Eine ganz andere Frage ist, ob das Parteienverbot des Grundgesetzes in seiner jetzigen Form eine überzeugende Lösung darstellt. Aber darüber sollte gerade nicht im Zusammenhang konkreter Verbotsanträge diskutiert werden. CHRISTIAN SEMLER