PARTEIENFINANZIERUNG: AUCH DIE DOPPELTE BUCHFÜHRUNG KOMMT NOCH : Kein Reformschub ohne Skandal
Die deutschen Parteien halten sich offensichtlich für etwas Besonderes. Sie kassieren viele Staatsmillionen – aber mit ihrer eigenen Finanzverwaltung nehmen sie es dann nicht so genau. Jede Partei bastelt sich ihre eigenen Regeln, wie sie die Einnahmen- und Ausgabenrechnung mit ihrer Vermögensübersicht kombiniert. Sie lehnen die in der Wirtschaft übliche doppelte Buchführung ab. Angeblich sind deren Standards zu kompliziert.
Parteien sind zwar mittelständische Unternehmen, aber wenn es um ihre Finanzen geht, dann tun sie so, als wären sie unwissende Amateure in einsamen Ortsgruppen, die gerade die Graswurzelrevolution erfinden. An diesem erstaunlichen Selbstbild konnte bisher auch die unabhängige Parteienfinanz-Kommission nicht rütteln, die gestern ihren Abschlussbericht bei Bundespräsident Rau abgab und erneut die Rechnungslegung der Parteien monierte.
Die Parteien genießen ein einzigartiges Privileg: Via Bundestag machen sie die Gesetze selbst, denen sie anschließend unterliegen. Dem Publikum bleibt nur das hilflose Misstrauen, dass diese Allmacht missbraucht werden könnte, zumal es an Spendenskandalen quer durch die Parteien nicht fehlt. Wären die Parteien normale Firmen, dann würden sie eine Vertrauensoffensive starten, um ihre Kunden, die Wähler, zurückzugewinnen. Aber von einer solchen Promotion für die Ware Parteienpolitik ist nichts zu sehen.
Transparenz offerierten die Parteien bisher nie freiwillig, sie musste ihnen jedes Mal abgerungen werden. Ein wenig mehr Finanzübersicht war stets der gesamtgesellschaftliche Schadenersatz, den die Parteien nach ihren Spendenaffären bezahlten. So ist es letztlich dem Flick-Skandal zu danken, dass die Möglichkeit für Großspenden 1994 eingeschränkt wurde. Die fingierten jüdischen Testamente bei der CDU in Hessen führten seit 2002 dazu, dass Erblasser namentlich genannt werden müssen, wenn sie mehr als 10.000 Euro vermachen. Kohls schwarze Koffer wiederum bewirkten, dass anonyme Barspenden 1.000 Euro nicht mehr übersteigen dürfen und Großspenden zeitnah dem Bundestagspräsidenten gemeldet werden müssen. Es lässt sich also absehen: Auch die doppelte Buchführung wird kommen – wenn nur einer der nächsten Skandale peinlich genug ist.
Dennoch warten die Parteien ab. Offensichtlich scheinen sie zu meinen, dass sie sich ihre Arroganz leisten können. Alle gemeinsam ruhen sie sich in dem wonnigen Gefühl aus, dass sie eine Art Monopol verwalten: Was ist schon eine Parteiendemokratie ohne Parteien? Solange sie sich in ihrem Finanzgebaren einig sind, ist Kunde Wähler machtlos. ULRIKE HERRMANN