PANTANI-TOD: KEIN VERGLEICH MIT MARADONA UND O. J. SIMPSON : Wenn der Nachruhm schwindet
Eine bittere Ironie wohnt dem Umstand inne, dass der Radsportler Marco Pantani am Samstag tot zwischen zahlreichen Medikamentenschachteln aufgefunden wurde. Ob er sich nun willentlich umgebracht hat oder nicht – es war die Chemie, die ihn das Leben kostete, und zwar lange vor seinem Todestag. Pantani war schon spätestens seit 1999 der gestrauchelte Ausnahmesportler. Noch mit seinen Siegen ein Jahr zuvor, bei der Tour de France ebenso wie beim Giro d’Italia, war er einer der ganz Großen des italienischen Sports geworden. „Il Pirata“, der Kleinstädter aus Cesena, aus einfachen Verhältnissen – er wurde wie so viele Stars zur kultisch verehrten Projektionsfläche seiner Bewunderer, die sich auch schon mal eine Glatze rasieren und das Ohr piercen ließen. Dann aber setzten die Doping-Vorwürfe seiner Spitzenstellung ein Ende. Und Pantani radelte, wenn er überhaupt zum Start antrat, nur noch im Mittelfeld.
Mit solch einer Situation kann mancher Sportler leben – wenn sie ihm nur seine Fans verzeihen. Auch gefallene Helden bleiben oft genug Helden. Der kleine dicke Maradona, entlarvt als koksender Papa unehelicher Kinder, wird in Argentinien, in Neapel immer noch vergöttert, und selbst O. J. Simpson hat trotz Mordvorwürfen weiter seine Fangemeinde. Auch Pantani hätte sich im Nachruhm einrichten können, auch er durfte auf nachsichtige Fans zählen, die auf ihn als Projektionsfläche eigener Träume vom Erfolg nicht verzichten mochten, für die er nun eben endgültig zum Helden mit Ecken und Kanten geworden war.
Doch Pantani hat die Doping-Verdächte immer wütend abgestritten. Anders als Kokserei oder Mordverdacht warfen sie nicht bloß einen Schatten auf seinen Lebenswandel, sondern auch auf seine sportlichen Erfolge. Es genügte Pantani offenbar nicht, sich in ein bisschen Nachruhm zu sonnen. Vielleicht ahnte er, dass seine späteren Niederlagen die Schatten immer länger werden ließen, die auch auf die früheren Triumphe fielen. Wenigstens dies ist dem Piraten jetzt nicht mehr zu nehmen: Er ist in die Geschichte des Radsports eingegangen. MICHAEL BRAUN