PALÄSTINA: FATAH UND HAMAS KÄMPFEN UM IHREN EINFLUSS : Raketen aus Frust
Es passiert nicht zum ersten Mal, dass israelische Zivilisten die Frustration der Islamisten über die eigene Führung ausbaden müssen. Der jüngste Mörserbeschuss auf den Siedlungsblock im südlichen Gaza-Streifen hat nur sehr indirekt etwas mit dem derzeitigen Stand der palästinensisch-israelischen Friedensverhandlungen zu tun. Die Hamas-Führung beharrt auf ihrem Waffenstillstand. Trotzdem will sie die von der Führungspartei Fatah angekündigte Wahlwiederholung in der Grenzstadt Rafah in irgendeiner Form bestrafen. Da man Eskalationen in den eigenen Reihen verhindern muss, richtet man die Raketen kurzerhand auf die Leute hinter dem Zaun. Wie praktisch.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kommt damit zwar unter Druck, aber nicht zu sehr. Wenigstens ist es ihm nicht Grund genug, seine derzeitige Nahostreise abzubrechen. Dabei würde ihm eine Armeeinvasion im Umfang der „Operation Schutzschild“ vor drei Jahren die öffentliche Unterstützung nehmen. Für die Hamas hingegen kann es sich innenpolitisch nur als lohnend erweisen, die Besatzungstruppen gerade vor den Wahlen im Juli noch ein wenig zu provozieren. Abbas hat damit einen schwierigen Balanceakt vor sich. Eine offene Eskalation mit den Glaubensbrüdern würde seiner Partei genauso Stimmen kosten wie ein Eingreifen der israelischen Armee, sollten sich seine Sicherheitsleute im Kampf gegen die Mörsergranaten der Hamas als unfähig entlarven.
Für die Fatah ist der Wahltermin genau einen Monat vor dem Abzug denkbar ungünstig. Die umgekehrte Reihenfolge würde es den Fatah-Kandidaten ermöglichen, aus dem Abzug politisches Kapital zu schlagen. Also wird genau das – eine Verschiebung der Wahlen – derzeit in den Führungsreihen erwogen. Verständlich, wenngleich nicht gerade demokratisch. Überhaupt scheinen sich die Vorzeichen in Sachen Demokratieverständnis umzudrehen. Während die Fatah mit neuen Wahlgesetzen eine Schlappe zu verhindern sucht, bittet die Hamas, die nie an einem landesweiten Urnengang teilgenommen hat, um den Einsatz internationaler Wahlbeobachter. SUSANNE KNAUL