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Archiv-Artikel

PALÄSTINA: EIN REFERENDUM TAUGT NICHT FÜR DIE TAGESPOLITIK Der Präsident hat seine Chance verpasst

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas scheint knapp ein halbes Jahr nach den Wahlen noch immer nicht verstanden zu haben, dass seine Partei, die Fatah, verloren hat. Tonangebend ist die islamistische Hamas, und die lässt sich nicht so leicht zu einem politischen Richtungswechsel zwingen. Abbas hätte diese Lektion spätestens lernen sollen, als er mit seinem kürzlichen Veto gegen die Errichtung einer von der Hamas gestellten bewaffneten Brigade scheiterte.

Er droht mit einem Referendum und der Auflösung des Parlaments, doch dazu fehlt ihm die verfassungsrechtliche Autorität. Abgesehen davon hätte die Fatah, die ihre parteiinternen Zwistigkeiten noch längst nicht beigelegt hat, bei vorgezogenen Neuwahlen derzeit kaum bessere Aussichten auf einen Wahlsieg als im letzten Januar. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Abbas für das Referendum derzeit vermutlich die Mehrheit der Palästinenser hinter sich hätte.

Mit der zunehmenden Not, die das Volk zermürbt, wächst der Druck auf die Regierung, einen moderateren Kurs einzuschlagen. Jetzt muss Brot auf den Tisch – Palästina kommt später. Nicht gerade die besten Voraussetzungen, um zu einem demokratisch sauber erstellten Meinungsbild zu gelangen, auch wenn der Zweck Beifall verdient. Die Zweistaatenlösung und die indirekte Anerkennung Israels ist eine Chance, die internationale Gemeinschaft zu versöhnen und gleichzeitig den innerpalästinensischen Konflikt beizulegen.

So richtig das Ansinnen des Palästinenserpräsidenten sein mag, so kontraproduktiv ist es in diesen vom Machtkampf der politischen Bewegungen gezeichneten Tagen. Abbas, der aus Sorge um den Konflikt im eigenen Volk nach dem Tod seines Vorgängers Jassir Arafat ein komplettes Jahr der freien Handlungsgewalt nutzlos verstreichen ließ, ist nun mitverantwortlich für die eskalierende Gewalt. Ein Referendum darf nicht zum politischen Druckmittel werden, das immer dann herhalten muss, wenn es strategisch gerade gut passt. Hier geht es um Volkes Stimme bei historischen Entscheidungen, für die die gewählte Regierung kein Mandat hat. Aber diese Chance auszunutzen, hat Abbas bereits verpasst. SUSANNE KNAUL