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Archiv-Artikel

PALÄSTINA: DIE JUNGE GENERATION FORDERT MITSPRACHE Modernisierung mit Schusswaffen

Ob PLO-Chef Machmud Abbas und Exsicherheitschef Mohammad Dahlan am Sonntagabend einen Mordanschlag überlebten oder doch nur ein Versehen vorlag, wie beide behaupten – die Schüsse im Trauerzelt für den toten Jassir Arafat sollten ein Signal setzen: Nichts geht ohne die „Schabiba“, der Fatah-Jugend. Die Schützen stammen entweder aus dem Lager der Tansim-Milizen oder der Al-Aksa-Brigaden, und beide Gruppen setzen sich aus Mitgliedern der „Schabiba“ zusammen. Kaum zufällig, dass der erste blutige parteiinterne Generationskonflikt der Nach-Arafat-Zeit nur wenige Stunden auf die Nominierung von Abbas folgte; der PLO-Chef gilt als aussichtsreichster Kandidat der Fatah für die im kommenden Januar geplanten Präsidentschaftswahlen.

Schon in den vergangenen Monaten waren die jungen Milizen, die sich seit jüngstem „Arafat-Brigaden“ nennen, wiederholt in gewaltsame Auseinandersetzungen mit den Sicherheitsdiensten geraten. Paradoxerweise forderten sie genau das, wofür auch Dahlan radikal einstand: Wahlen innerhalb der eigenen Partei sowie der PLO und damit die Möglichkeit von mehr Mitbestimmung für die Jugendlichen. Es zeugt von recht kurzem Gedächtnis, dass ausgerechnet sie es sind, die nun das Erbe Arafats hoch halten – des Mannes, der eine Verjüngung der Führung jahrelang zu verhindern wusste. Aber es ist ein „anderer Arafat“, dem die jungen Männer nachtrauern: derjenige, der die Milizen deckte.

Hier stoßen die beiden Lager – „Schabiba“ einerseits und der neue PLO-Chef mit seinem Sicherheitsberater andererseits – frontal zusammen. Abbas gilt als strikter Gegner der Intifada, Dahlan soll sich dem Chaos im Gaza-Streifen widmen. Schon vor Monaten hatte er die Auflösung der Al-Aksa-Brigaden ins Gespräch gebracht. Aber Arafat lehnte bislang die Entwaffnung aller Milizen ab. Sollte Dahlan allein auf Polizeigewalt setzen, stehen die Chance für ein Gelingen seines Plans schlecht. Nur wenn die Fatah-Jugend Gelegenheit hat, ihre Ideen in die Partei einzubringen, kann die schrittweise Entwaffnung gelingen. SUSANNE KNAUL