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Archiv-Artikel

Outlaw Bush sucht sich Komplizen KOMMENTAR VON BERND PICKERT

Das US-Sondergefängnis in Guantánamo wird nicht geschlossen, sondern im Gegenteil aufgefüllt. Die Militärtribunale gegen mutmaßliche Terroristen, die der Oberste Gerichtshof der USA für verfassungswidrig erklärt hat, sollen trotzdem stattfinden. Die geheimen CIA-Haftzentren, deren Existenz Washington jahrelang geleugnet hatte und in denen mit einiger Sicherheit gefoltert wurde, existieren nicht nur, sie waren auch ganz toll. Das ist die Quintessenz der Rede, die US-Präsident Bush im Weißen Haus gehalten hat.

Dass Bush knapp zwei Monate vor den Kongresswahlen die Aufmerksamkeit wieder vom Irak auf sein Lieblingsthema „Terror“ lenken will – geschenkt. Aber er will auch den Urteilsspruch des Obersten Gerichtshofes in Sachen Militärtribunale uminterpretieren. So versucht der Outlaw, mit einem dazu passenden Gesetz den Kongress zum Komplizen einer rechtswidrigen Politik zu machen.

Bislang hat das Weiße Haus jedes seiner Guantánamo-Politik zuwiderlaufende Gerichtsurteil zunächst ignoriert und dann Reformen eingeleitet, die sich als Neuetikettierung des rechtswidrigen Status quo erwiesen. Was die Regierung da aufführte, war eine höhnische Demonstration der Exekutivmacht. Jetzt will Bush – wissend, wie aufgeladen das Thema im Wahlkampf diskutiert werden wird – die politische Verantwortung auf Senatoren und Abgeordnete abwälzen.

Das Signal, das dabei von Washington ausgeht, ist unverändert verheerend: Krieg gegen den Terror und Rechtsstaat vertragen sich nicht, und Sicherheitsinteressen gehen vor Menschenwürde. Es ist genau diese Botschaft, die die Welt in den vergangenen fünf Jahren so unsicher hat werden lassen, die den Glauben an die Errungenschaften westlicher Zivilisation in großen Teilen der Welt zerstört und Despoten zur Nachahmung angestachelt hat.

Es liegt in den Händen des US-Kongresses, dieser verhängnisvollen Entwicklung endlich entgegenzusteuern. Guantánamo muss geschlossen werden. Diejenigen, gegen die nichts vorliegt, gehören freigelassen und entschädigt – und die anderen vor ein ordentliches Gericht gestellt. Das wäre kraftvoll, das wäre souverän, das wäre ein Schlag gegen den Terror.