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Archiv-Artikel

Ou-Ou-Ah? Frühabendmusik!

Kein Wort über das skurrile Finnland und seine ach so kauzigen Bewohner: Markku Peltola, Aki Kaurismäkis „Mann ohne Vergangenheit“, spielt mit seiner Band merkwürdigen Pseudo-Folk – am Mittwoch in der Fabrik

Kein Gespenst ist es, das, befeuert durch die Leipziger Buchmesse, dieser Tage umgeht im deutschen Blätterwald. Man schmunzelt oder lacht sich scheckig – so zumindest laut Spiegel – über den fingierten Reiseführer ins nicht existierende „Molwanîen, das Land des schadhaften Lächelns“, ersonnen von einer australischen Komödiantentruppe.

Dahingestellt, ob da der Jargon einschlägiger Rucksack-Kompendien auf die Schippe genommen oder nicht vielmehr ein wohlfeiles Klischee vom osteuropäischen Bauern- und Operettenstaat bedient wird: Es ist erkennbar satirisch gemeint.

Ganz anders dagegen die Bereitwilligkeit, mit der so mancher damit befasste Kollege auf nationale Stereotypen zurückgreift, wenn es gilt, nicht westliches Kulturgut zu betrachten.

Man denke etwa an die sehnsüchtige Rede vom seiner Natur gemäßer und also glücklicher lebenden Wilden, Pardon, Nichteuropäer, wie sie etwa die Weltmusik umweht. Ähnlich geprägt von Verallgemeinerungen ist die Wahrnehmung alles Finnischen: Das Land ist groß, seine Bewohner nehmen die Schwermut spätestens mit der Muttermilch auf und reden zeitlebens nur das Nötigste; später spielen sie zwischen ihren Saunagängen Tango auf Beerdigungen, um vom Erwirtschafteten Zigaretten und teuren Alkohol zu finanzieren.

Umso erfreulicher, wenn eine Figur, die sich solchen Projektionen doppelt und dreifach ausgesetzt sehen dürfte, ihnen ein Schnippchen schlägt. Dabei hat Markku Peltola beste Voraussetzungen: An sein Gesicht erinnert sich, wer Aki Kaurismäkis Film Der Mann ohne Vergangenheit sah, in dem Peltola den Titelhelden M gab.

Wer die Musik Peltolas und seiner Band als typisch für ihr Entstehungsland ansieht, dürfte hereingefallen sein auf die eigenen Erwartungen: An Peltolas Pseudo-Folk ist, der akustisch-verhaltenen Instrumentierung und dem getragenen Vortragsgestus zum Trotz, nichts authentisch; es ist ein merkwürdig zeit- wie ortloser Sound, der da mit swingenden Gitarren, Percussion und klagender Violine in Szene gesetzt wird, so anrührend wie heiter, vertrauenswürdig wie doppelbödig. Ob Peltola ein Kauz ist (und also „typischer“ Finne), erfahren wir aus seiner Musik, die eine Besucherin gerade mit Recht als „frühabendlich“ bezeichnete, indes nicht. Alexander Diehl

Mittwoch, 23.3., 21 Uhr, Fabrik