piwik no script img

Oswaldo Payás gestorbenStimme der Versöhnung

Populär und diplomatisch war Oswaldo Payá. Die genauen Todesumstände des kubanische Ingenieurs und Dissidenten sind noch zu klären.

Oswaldo Payá im Jahr 2007. Bild: dapd

Sein Haus im Stadtteil Diez de Octubre gehörte zu den meistbesuchten von Oppositionellen in Havanna. Mit Oswaldo Payá Sardiñas, dem umtriebigen Kopf des Proyecto Varela, suchten Botschafter und Diplomaten den Dialog, weil der 60-jährige Katholik für Versöhnung und den friedlichen Übergang in Kuba eintrat. Einen Übergang, der von den Kubanern und nicht vom Ausland aus gesteuert und gestaltet werden sollte. Das geeignete Instrument für Payá war dafür das Referendum.

Für ein solches sammelte der Christdemokrat, der am Sonntag in der Nähe der im Osten Kubas gelegenen Stadt Bayamo nach einem Verkehrsunfall starb, mehrfach Unterschriften in Kuba. Dabei berief sich der Elektronikingenieur auf den Paragrafen 88 der kubanischen Verfassung. Der sieht eine Parlamentsdebatte vor, wenn ein entsprechender Antrag von mehr als 10.000 Unterschriften gestützt wird.

Payás Proyecto Varela, welches auf diesem Weg ein Referendum über demokratische Reformen auf den Weg bringen wollte, reichte in zwei Anläufen mehr als 25.000 Unterschriften ein. Doch zu der Parlamentsdebatte kam es genauso wenig wie zu der von Payá gewünschten öffentlichen Auseinandersetzung in den kubanischen Medien.

Dort wurde der Oppositionelle, der 2002 mit dem Menschenrechtspreis des Europäischen Parlaments ausgezeichnet und mehrfach für den Friedensnobelpreis nominiert wurde, totgeschwiegen. Gleichwohl war Payá vielen Kubanern ein Begriff. Der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter hatte nämlich in einer im Fernsehen übertragenen Rede 2002 auf das Proyecto Varela und dessen dialogbereiten Kopf aufmerksam gemacht.

Gegenüber seinem Haus fand Payá hingegen immer mal wieder Parolen wie „Dissidenz ist Verrat“ vor. Eigener Aussage nach wurde er rund um die Uhr von der kubanischen Polizei beobachtet und sämtliche Telefongespräche wurden aufgezeichnet. Gleichwohl arbeitete Payá als Ingenieur für medizinisches Gerät für den Staat.

Dessen Behörden haben nun zugesagt, die Umstände des Unfalls zu untersuchen. Laut Rosa María Payá, Tochter des streng gläubigen Katholiken, sei der Wagen ihres Vaters, in dem neben einem weiteren Dissidenten zwei ausländische Begleiter gesessen haben sollen, von einem Lkw von der Straße abgedrängt worden. Angeblich nicht zum ersten Mal. Der Tod von Kubas wohl populärstem Dissidenten ist klärungsbedürftig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • J
    jupp

    Natürlich müssen die Umstände des Unfalles geklärt werden, bei dem auch Oswaldo Paya zu Tode kam!

    Wer jemals in Cuba (ob mit Bus, Fahrer oder Leihwagen) unterwegs war, weiss, wie gefährlich das ist. Besonders nachts, wenn unbeleuchtete Fahrzeuge, von Menschen-, Ochsen- oder dieselbetriebene Fahrzeuge unterwegs sind.

    Abdrängen auf Landstrassen gehört nach meiner Erfahrung zum normalen Verkehrsverhalten dort, tags wie nachts.

    Die Polizei muss daher sehr viel "schärfer" werden!

    Die kubanischen Behörden sollten angesichts steigender Motorisierung dringlich Unfallstatistiken erheben bzw. öffentlich machen!

    Bitte nicht nach konfessioneller, politischer oder sexueller Präferenz aufgeschlüsselt!

    Paya ist in Kuba durch James Carters Rede im kubanischen TV bekannt geworden, Staats-TV wohlgemerkt!

    Nicht etwa durch die Bloggerin, die sicherlich bald den "Mord" an Paya melden und "beweisen" wird!

  • UF
    ulysses freire da paz jr.

    Aus welchem Grund gleichfalls klärungsbedürftig schweigt der Internationale Strafgerichtshof zum Tode Gaddafis , obwohl alle Handlungen, die zum Tode eines Gefangenen führen, als »schwere Verletzung« der Konvention betrachtet werden sollen (Art. 49 und 50)???