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Osman Engin Die CoronachronikenDer Corona-Blues

Foto: privat

Osman Engin

ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Coro-na. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Mein Arbeitskollege Nedim ist am Telefon und er klingt höchst traurig.

„Osman, ich habe mich auf Corona testen lassen. Mir geht’s nicht gut. Ich muss in Quarantäne bleiben. Kannst du das bitte morgen in Halle 4 unserem Meister Viehtreiber sagen?“

„Oh, Nedim, das tut mir aber leid. Versuch du nur wieder gesund zu werden. Ich sag’s dem Meister, mach dir keine Sorgen.“

„Danke, Osman, du bist ein wahrer Freund“, schluchzt er und legt auf.

Kurze Zeit später ruft Nedim wieder an.

„Osman, entschuldige bitte, ich wollte nur wissen, was du morgen unserem Meister sagen willst.“

„Ich sage dem Herrn Viehtreiber, dass es dir nicht sonderlich gut geht und dass du in häuslicher Quarantäne bleiben musst. So wie du gewünscht hast.“

„Du Schuft! Warum stigmatisierst du mich gleich? Warum willst du mich bei der Arbeit vor allen Leuten bloßstellen?“

„Aber du hast mir doch eben selber gesagt, dass es dir nicht gut geht und dass du dich hast testen lassen und dass du zu Hause bleiben musst.“

„Warum sollte ich? Ich habe doch gar kein Corona, verdammt!“

„Aber sagtest du vorhin nicht, du hast dich auf Corona testen lassen und …“

„Das Ergebnis ist doch negativ! Negativ – hörst du?! Ist für dich etwa jeder, der sich testen lässt, sofort krank und eine große Gefahr für die Allgemeinheit, oder was?“

„Oh, das ist ja schön, dass du kein Corona hast, Nedim. Dann sage ich dem Meister, du bleibst zur Sicherheit trotzdem erst mal zu Hause.“

„Danke, Osman, du bist ein wahrer Freund“, schluchzt er und legt wieder auf.

Fünf Minuten später klingelt das Telefon erneut.

„Osman, darf ich bitte erfahren, was du morgen mit dem Meister über mich tratschen willst? Warum willst du nur überall Lügengeschichten über mich erzählen? Was habe ich dir bloß getan? Was?“, fragt er böse.

„Ich sag ja nicht, dass du krank bist. Ich erwähne nur den Test.“

„Was für einen Test denn, verdammt?!“, schimpft er barsch.

„Coronatest, den du doch gemacht hast.“

„Ich hab doch gar keinen Test gemacht! So was habe ich überhaupt nicht nötig! Weshalb möchtest du, dass alle Menschen mich wie die Pest meiden? Was hast du bloß gegen mich – was?!“, schluchzt er mit vibrierender Stimme.

Ich höre auch wie einige Tränen über den Hörer kullern.

„Gut, mein Freund. Ich gebe bei der Arbeit keinen Mucks von mir. Ich erwähne weder deinen noch Coronas Namen. Nicht mal meinen. Ruh du dich nur gut aus.“

„Meine Frau hat mich verlassen!“, zischt er plötzlich.

„Wie bitte?“

„Osman, sag mir bitte, was sich weniger peinlich anhört. Wenn ich Corona habe, oder wenn meine Frau abgehauen ist?“

„Beides ist völlig uninteressant“, tröste ich ihn. „50 Prozent der Männer hatten schon Corona und 100 Prozent der Männer wurden bereits von mindestens einer Frau verlassen.“

„Gut, dann sag dem Meister, bitte: Nedim hat seine Frau verlassen, weil sie Corona hat!“

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