Osman Engin Alles getürkt: 87 Osmans
Zwei Polizeibeamte in Uniform stehen frühmorgens vor der Tür. „Guten Morgen, sind Sie Osman Engin?“
„Ja, warum?“, stottere ich ängstlich.
„Wir müssen Sie mit aufs Revier nehmen.“
„Aber warum denn? Ich habe doch nichts gemacht!“, jammere ich.
„Osman, mach dir keine Sorgen, die Jahre im Gefängnis werden vergehen wie im Flug“, ruft mir Eminanim hinterher. Meine Frau weiß, wie sie mich trösten kann.
Der große Aufenthaltsraum bei der Polizei ist brechend voll.
Der Mann neben mir sagt: „Merhaba, ich heiße, Osman Ürgüplü. Sie heißen auch Osman, nicht wahr?“
„Ja, woher wissen Sie das?“, antworte ich völlig überrascht.
„Hier gibt’s nur Osmans“, sagt er, „genau 87 Osmans sind es hier!“
Ich habe gar nicht gewusst, dass ich so viele Namensvettern in der Stadt habe. Hat die Polizei etwa Angst, dass wir mit so vielen Osmans hier ein Neues Osmanisches Reich gründen?
„Liebe Namensvettern“, ruft jemand. „Es kann doch nicht sein, dass allein unser Name uns schuldig machen soll. Wir müssen herausfinden, ob jemand von uns etwas Schlimmes angestellt hat.“
In dem Moment fangen die Polizisten an jeden Osman nacheinander zum Verhör zu schleppen.
Nach knapp zwei Stunden Wartezeit werde ich abgeholt. Ich bin als 76. Osman endlich an der Reihe.
Man drückt mich auf einen wackeligen Stuhl. Eine deutsche Dame sitzt gemeinsam mit ihrem Kind in der Ecke und zuckt mit den Schultern. „Ich bin mir nicht ganz sicher“, meint sie.
Der Kommissar scheint durch die stundenlangen Verhöre etwas genervt zu sein: „Wie kann denn eine Frau vergessen, welcher Mann ihr das Kind gemacht hat“, schimpft er.
„Aber es ist doch schon ein paar Jahre her“, antwortet die Frau, „außerdem sehen diese Türken mit ihren dicken schwarzen Schnurrbärten alle gleich aus. Ich weiß nur, dass er Osman hieß!“
„Ich kann nicht der Vater von diesem Kind sein. Ich habe diese Frau noch nie gesehen!“, brülle ich.
„Das hat nichts zu sagen, die Frau hat den Mann dabei auch nicht gesehen“, meint der Polizist.
„Seit wann muss man dabei ins Gesicht sehen, so neugierig bin ich nicht“, ruft die Frau pikiert.
„Wir müssen jeder Spur nachgehen, lassen Sie die Hosen runter“, befiehlt der Kommissar.
„Vor der fremden Dame hier?“, frage ich schüchtern.
„Stellen Sie sich nicht so an! Das machen Sie doch nicht zum ersten Mal.“
Die Frau kontrolliert alles gründlich und genau. „Also ich weiß nicht. Das Ganze kommt mir doch nicht so bekannt vor“, murmelt sie.
„Vielleicht sollten Sie in Zukunft beim Sex den Männern doch ein bisschen ins Gesicht schaun“, meckert der Kommissar.
„Aber wieso? Die Nase des Mannes ist doch eh wie sein Johannes!“, ruft die Frau.
„Johannes? Die Dame sagte eben Johannes. Also habe ich doch nichts damit zu tun. Ich heiße doch Osman“, jubele ich.
Und schon bin ich entlassen, gehe nach Hause und bin froh, dass ich nicht Johannes heiße!
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