Ortstermin vom CCC-Kongress: Unter Hackern
Auf der SigInt 09 in Köln laden die Hacker des Chaos Computer Clubs zur netzpolitischen Diskussion.
Wenn man Constanze Kurz und Frank Rieger zuhört, kann man ziemliche Angst bekommen. 120 Millionen abgehörte Telefonate in Deutschland im Jahr 2007. Ermittlungsbehörden, die schon bei 15 Euro Strafe für eine Verkehrswidrigkeit auf Hausdurchsuchung und Rechnerbeschlagnahmung zurückgreifen. Die Sprecher des Chaos Computer Clubs reden über überforderte Richter, die aus Überlastung solche Durchsuchungen meist reihenweise durchwinken und dass anderslautende Urteile des Bundesverfassungsgerichts keinen Einfluss auf die Rechtspraxis der Richter haben.
Konzentrierte Gesichter im Publikum. Viele T-Shirts vom Chaos Computer Club, der Onlinebürgerrechtsorganisation Foebud und der Piratenpartei, andere tragen die Stasi-2.0-Schäublone auf der Brust oder die "Zensursula" - aus Protest gegen Familienministerin von der Leyens Internetsperrpläne. Auf der Bühne gibt es praktische Tipps. Festplatten verschlüsseln. Wenn der Rechner beschlagnahmt wird, alles anzweifeln, weil die Behörden häufig wenig sorgfältig mit den beschlagnahmten Datenspeichern umgehen. Backups der Festplatte außerhalb der eigenen Wohnung deponieren.
Alarmiert und misstrauisch ist die Stimmung auf der SigInt, der Konferenz, zu der der CCC geladen hat, um vor allem über politische Aspekte im digitalen Zeitalter zu sprechen. Gekommen sind nicht nur Hacker, sondern offenkundig auch Schüler und Interessierte ohne mächtige Rechner auf dem Schoß. Ein paar Klischees bestätigt das Hackertreffen dann aber doch: die unsägliche Clubmate (wachmachend und magenschonend) ist das beliebteste Getränk der Veranstaltung. Und auch ein paar öffentlichkeitsscheue Typen, die selbst im dunkelsten Vortragsraum mit Sonnenbrillen sitzen, sind da. "Ich bin nur schüchtern, nicht asozial (Du kannst mich ansprechen)" steht auf dem T-Shirt von einem.
Gut besucht sind Vorträge über Rechtsfragen. Kein Wunder in einer Zeit, in der Anti-Kinderporno-Stoppschilder winken und bei der Piratenpartei sowie der Whistleblower-Seite Wikileaks.de Hausdurchsuchungen durchgeführt werden. Anwalt und Rechtsblogger Udo Vetter ärgert sich scharfzüngig über Ermittler, die mit Internetausdrucken argumentieren, und über Richter, die trotz anderslautender Rechtsprechung des Verfassungsgerichts immer wieder falsche Hausdurchsuchungen anordnen. Und fordert ein Verwertungsverbot für illegal erlangte Beweise -- damit laxer Umgang mit Durchsuchung und Beschlagnahmung endlich Folgen für die Behörden haben.
Als Held gefeiert wird der Wikileaks-Sprecher, der referiert, wie bedroht der freie Zugang zu Informationen im Netz ist und zahlreiche Fälle referiert, in denen Wikileaks den ganz großen die Stirn geboten hat. Und Nick Farr, früher Finanzbuchhalter, jetzt Mitgründer eines Hackerspaces in Washington, der als alternative zum gecrashten Finanzsystem ein "Clowdbanking-System" vorstellt, das die Vorteile von Sozialen Netzwerken auf das Bankwesen übertragen soll.
Bis 24 Uhr reiht sich eine Veranstaltung an die nächste. Je später, desto alberner. Ein Referat über die Vorteile von Rückspiegeln als überlegene rumänische Überwachungstechnologie. Ein Vortrag über Musik, die mit Technikgeräuschen erzeugt wird -- von der Nadeldrucker-Sinfonie bis zur Diskette, die nach Melodie des Star Wars-Themas gebootet wird. So viel Spaß muss sein. Denn über die Zukunft von Cyberkriegen, Kulturflatrates und Freie Software kann man ja immer noch morgen diskutieren.
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