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Archiv-Artikel

Ortstermin: Heinz Strunk doziert beim Popkurs Von Machern und Mit-Machern

Der Saal ist schwer mit Holz vertäfelt an allen Wänden. Oben an der Decke gibt es Gemälde und Stuck. An der Längsseite hängt das Bild eines Geigers, es muss Mendelssohn sein, schließlich ist das hier der Mendelssohn-Saal der Hamburger Musikhochschule. Direkt unter dem Gemälde sitzt ein graumelierter Herr mit flott nach hinten gekämmten Haaren und getönter Pilotenbrille. Seine Haut ist leicht gerötet von der Sonne und unter dem weißen Hemd trägt er ein goldenes Kreuz auf der Brust. Der Herr sieht mit seinen dezenten Stilbrüchen aus wie ein Popstar, aber das stimmt nicht ganz, bundesweit bekannt geworden ist er als Schriftsteller, mit seinem Bestseller „Fleisch ist mein Gemüse“. Er heißt Heinz Strunk, ist 46 Jahre alt und hält eine Vorlesung. Sein Thema: „Es kommt doch anders als man denkt“.

Strunk spricht vor den Teilnehmern einer Art Sommerakademie für angehende PopmusikerInnen. Der Popkurs ist ein Angebot der Musikhochschule und wer daran teilnehmen will, muss eine Aufnahmeprüfung bestehen. Die rund 50 Auserwählten absolvieren dann zwei mal drei Wochen Intensivtraining mit Pop-Professoren und Gastdozenten. Und kennenlernen soll man sich: Beim Hamburger Popkurs fanden sich Bands wie „Wir sind Helden“, „Seeed“ oder „Revolverheld“. Deswegen heißt der Popkurs offiziell Kontaktstudiengang Popularmusik.

Eigentlich wird geprobt und unterrichtet beim Popkurs, an diesem Nachmittag aber wird zugehört. Heinz Strunk hat auch mal am Popkurs teilgenommen, das war 1984. Danach hat er als Musiker jahrelang kein Bein auf den Boden gekriegt, und das prädestiniert ihn, über das Musikgeschäft zu sprechen. Noch mehr prädestiniert ihn aber, dass es ein Happy End gab bei Heinz Strunk: Seine langen Jahre als Tanzmusiker hat er aufgeschrieben und mit dem Roman „Fleisch ist mein Gemüse“ seinen künstlerischen Durchbruch geschafft.

Das war 2004 und Strunk 42 Jahre alt. Zu den 50 PopmusikerInnen, wohl alle um die 20 Jahre alt, sagt er: „Man verliert ab einem bestimmten Alter das Popmusik-Gen.“ Der Hit müsse bis 30 oder 34 geschrieben sein. Gefragt, was er von Strunks Vortrag mitgenommen habe, wird später einer der Teilnehmer in eine Kamera sagen: „Dass ich mein Ding durchziehen muss. Und keine Zeit vergeuden darf.“ Nur, wie erkennt man, was das Ding ist? Strunk brauchte dazu eine Phase der totalen Beschäftigungslosigkeit. Auf Drängen seiner Freundin fing er mit dem Schreiben an.

Strunk erzählt seine Geschichte bis zu seiner Buchveröffentlichung als Leidensgeschichte, als Serie fruchtloser Pop-Projekte. Und dann kam die Zeit als Moderator, im Radio und bei der Sendung „Fleischmann TV“ auf Viva, für die er eigentlich schon viel zu alt gewesen sei. Und dann das Buch, das der Verlag nur habe veröffentlichen wollen, weil Strunk aufgrund seiner Kontakte drei TV-Auftritte garantieren konnte.

Schließlich sagt Strunk bei aller Bescheidenheit den Satz: „Es gibt Macher und Mitmacher. Dem Mitmacher fehlt, die Kraft aus sich selbst heraus zu generieren.“ Und, eine Empfehlung an alle: „Ihr müsst versuchen, urheberrechtlich was hinzukriegen.“ Was heißt: eigene Stücke, die über Copyrights Tantieme abwerfen. Er verkaufe heute noch täglich 150 Ausgaben von „Fleisch ist mein Gemüse“, sagt Strunk.

Da schaltet sich Peter Weihe ein, Gitarren-Prof. und supererfolgreich. Wichtig sei es, dass sie es durchzögen, wenn sie Feuer in der Band hätten, durchziehen, anstatt das Feuer zu verschludern. Die Teilnehmer nicken. Das eigene Ding finden. Bis 30 Gas geben. Kein Feuer verschludern. Medienkontakte aufbauen. Macher werden.

Ob sich Heinz Strunk nicht selbst verarscht hätte, wo er so lange Musiker sein wollte und doch eigentlich ein Schriftsteller ist, fragt einer. „Nein“, sagt Strunk. „Ich habe die Zeit benötigt.“ KLAUS IRLER

Popkurs-Abschlusskonzert: 21. August, Markthalle Hamburg