Online-Spiel zum Tatort: Das Netz auf Mörderjagd
Statt mit Aufklärung endet der Tatort mit Risotto – die Zuschauer können im Netz zu Ende ermitteln. Das Experiment war unerwartet erfolgreich: Die ARD-Server brachen zusammen.
BERLIN taz | Jeden Sonntag, Schlag 20.15 Uhr, setzt auf Twitter die große Tatort-Flut ein. Das Volk von Bundestrainern wird für anderthalb Stunden zum Volk der Filmkritiker, das jeden Wimpernschlag der Kommissare dokumentiert und kommentiert. Allein diesen Sonntag waren es bis zu 60 Tweets die Minute, die unter dem Hashtag #tatort in den Wald riefen.
Das, mögen sich die Verantwortlichen gedacht haben, ist ein Social-Media-Potenzial, mit dem man arbeiten sollte: Deswegen banden sie eine Twitterwall in den Videotext mit ein, auf der man einige wenige der Tweets wie in einem Ticker zum Tatort mitlaufen lassen konnte. Außerdem lud die ARD den aktuellen Tatort direkt zum Sendebeginn auf Youtube hoch, zunächst einmal als Test, wie die Redaktion auf Nachfragen wissen ließ, ob man das in Zukunft auch so handhaben werde, hängt vom Erfolg des Experimentes ab. Denn, und das ist der wichtigste Teil, der Fall ist längst nicht abgeschlossen; statt dass die Kommissare am Ende des Tatorts den Täter zu überführen, kochen sie fein Risotto.
Was bis dahin geschah: Lena Odenthal wird von fünf straffällig gewordenen Jugendlichen entführt, die zunächst einen Mitgefangenen zu Tode misshandelt und anschließend ihren Aufseher ermordet hatten. Nach einer Schnitzeljagd durch den Pfälzer Wald werden sie gestellt – wer aus der Gruppe nun der Täter ist, kann das Publikum in einem Spiel auf der Tatort-Seite ermitteln. Spätestens am 20. Mai soll der Fall dann offiziell aufgeklärt werden.
Der Ansturm scheint unerwartet groß gewesen zu sein, kurz nach Filmschluss rauchten auf der Seite erstmal die Server ab. Nachdem sich die Technik einigermaßen stabilisiert hatte, kann man jetzt in einem klassischen und soliden Point-and-Click-Spiel das machen, was man nach unzähligen Tatorten für Polizeiarbeit hält: Zeugen und Verdächtige vernehmen, Spuren sammeln, Indizien aufnehmen.
„Die Zukunft gehört dem Social TV“
Seit einiger Zeit schon wird über einen grundsätzlichen Wandel im Fernsehgeschäft spekuliert. Eun-Kyung Park, Geschäftsführerin von ProSiebenSat.1 Digital, sagte bereits vor einem Jahr, dass die Zukunft dem Social TV gehöre. Laut einer Studie des DigitalBarometers gehen zwar momentan nur 16 Prozent der Zuschauer beim Fernsehen ins Netz, von den 14- bis 49jährigen sind es aber immerhin ein Drittel, und bei den 20- bis 39jährigen sogar die Hälfte.
Es ist kein Wunder, dass versucht wird, diese Gruppe stärker an die Sendung zu binden, mit sehr unterschiedlichem Erfolg: The Voice of Germany hatte in kurzer Zeit 300.000 Fans gesammelt, Gottschalk live hingegen konnten auch die vielen ausgefeilten Online-Aktivitäten nicht retten. Der nächste Schritt der Medienbrüderschaft startet heute: dann geht um 23.15 Uhr beim Bayerischen Rundfunk die Rundshow auf Sendung, für vier Wochen zunächst.
Dabei sollen die Zuschauer Themen bestimmen, die Planung mitgestalten, die Redaktionskonferenz kommentieren, Fragen stellen und die Antworten geben, kurzum: sich in jeder erdenklichen Form mit einbringen. Ob dieses „On-Air-Experiment" gelingt, darüber ist sich selbst Moderator Richard Gutjahr noch nicht sicher. Dass das aber die richtige Richtung ist, daran zweifeln wenige: jetzt muss nur noch ein Weg gefunden werden.
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