■ Olympias Sieger: Einem Georgier hilft die Ausrede nichts: David Kakalaschwili (kam 4 min zu spät)
Als der Liebe Gott die Welt erschuf, rief er alle Völker zu sich, um jedem ein passendes Fleckchen zu geben. Als die Prozedur längst beendet war, kam ein kleines Grüppchen gekleckert. Das waren die Georgier. Sie hatten mal wieder ausgiebig gefeiert und den Termin versäumt. Doch die Ausrede fiel so charmant aus, daß Gott sich erweichen ließ: „Okay“, sagte er, „weil sonst nichts mehr da ist, gebe ich euch ein Stück vom Paradies.“
Der georgische Judoka David Kakalaschwili (25) wollte eigentlich nach Atlanta auch nur noch feiern. Jetzt trainiert er bis Sydney 2000 weiter. Kakalaschwili war im Olympischen Dorf zeitig aufgestanden, um sich pünktlich um sieben Uhr an der Wettkampfstätte wiegen zu lassen. Ohne Ermittlung des Gewichts darf schließlich niemand auf die Matte. An der Sporthalle eingetroffen, wunderten er und sein Trainer sich, daß außer ihnen niemand dort war. Höflich, wie die Georgier sind, räumten sie den anderen Athleten ein akademisches Viertelstündchen Verspätung ein; danach kam Skepsis auf bei Kakalaschwili. In Barcelona hatte er im Schwergewicht Gold gewonnen und vor dem Abflug nach Atlanta seinem fünfjährigen Sohn daheim in Tiflis versprochen, diesen Erfolg zu wiederholen. Ganz Georgien erwartete von ihm das erste Gold für die 36 AthletInnen starke Delegation. Doch nach einem kurzen Anruf von der Sporthalle aus beim internationalen Judo-Verband stellte sich heraus, daß nicht, wie sonst üblich, in der Wettkampfstätte, sondern im Olympischen Dorf gewogen wurde. Den georgischen Funktionären war bei der technischen Besprechung diese kleine Information irgendwie entgangen.
Am Telefon verhandelten die einsamen Georgier geschickt mit dem französischen Vizepräsidenten, der die Wiegezeremonie leitete. Zehn Minuten Verlängerung sagte der schließlich zu. Bis zehn nach acht lief jetzt die Frist. Doch plötzlich bremste der Bus auf dem Weg zurück ins Olympische Dorf. Bombendrohung. Sicherheitskontrolle. 23 Minuten, so genau weiß man das noch im georgischen Team, dauerte der Busstopp. Vor der Waage stand Kakalaschwili genau um 8.14 Uhr. Vier Minuten zu spät. Er wurde disqualifiziert. Die Goldmedaille hat dann ein Franzose gewonnen. Uli Loke, Atlanta
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