Ohne PID keine IVF – das ist die Konsequenz: Nicht jede Blüte wird ein Apfel
betr.: „PID ist in Deutschland verboten“, taz vom 9. 2. 01
Monika Knoche meint, es gebe keinen Wertungswiderspruch zwischen ihrer Rechtsansicht zum Embryonenschutzgesetz (Verbot von PID) und der liberalen Abtreibungslösung seit 1992/95. Die Argumantation ist aberwitzig: bei einer In-vitro-Befruchtung sei die Frau nicht schwanger (wer hätte das vermutet) und ohne Schwangerschaft, das heißt ohne eine körperliche Beziehung zum Embryo, könne es auch keinen Schwangerschaftskonflikt geben und nur dann sei ein Eingriff in das Lebensrecht eines Embryos erlaubt. Mir ist es schleierhaft, wie sie auf diese biologistische Argumentation kommt.
[...] In egalitären Kulturen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Frauen weder zur Mutterschaft noch aus biologischen Gründen zur Kinderlosigkeit verdammt sind. Sie planen die Mutterschaft, und dies impliziert ein Entscheidungsrecht. Weder paternalistische noch maternalistische Bevormundung ist legitim. Nur das Paar oder die Mutter entscheidet, ob sie die Verantwortung für ein Kind übernehmen können.
Das Gerede vom prinzipiellen Unterschied zwischen künstlicher oder natürlicher Befruchtung überzeugt daher nicht. Nicht die Frau, sondern nur die Ärzte müssen dokumentieren, ob sie mit dem menschlichen Leben verantwortlich umgehen. Daher gibt es ein Embryonenschutzgesetz, das Ärzten und Forschern Grenzen setzt. Aber im Falle drohender schwerer Behinderungen – in vitro oder in vivo – haben Frauen nach beiden Rechtsmaterien das Recht, eine Entscheidung zu treffen. Bei künstlicher Befruchtung folgt dies aus ihren Grundrechten als Patientin. Bei einer bestehenden Schwangerschaft gibt ihnen das geltende Recht einen weiten Rechtfertigungsgrund.
Woraus schließen denn die Vertreter und Vertreterinnen der Gegensansicht ihre These? Das Embryonenschutzgesetz sieht ein Verbot vor, totipotente Zellen zu einem anderen Zweck zu verwenden als dem ihrer Erhaltung. Bei PID wird eine Zelle untersucht, um die anderen zu implantieren, falls kein Grund, der eine Abtreibung rechtfertigen würde, vorliegt. Die Entscheidung darf nur die künftige Mutter treffen. Mag sein, dass die Untersuchung der Zelle tatbestandsmäßig i.S. des Embryonenschutzgesetzes ist. Aber „verboten“ ist es deshalb noch nicht; denn das Strafrecht kennt nicht nur Tatbestände, sondern auch Rechtfertigungsgründe.
Die Realisierung eines Lebensrechts des Embryo in vitro bleibt also auch im Embryonenschutzgesetz von der Entscheidung der Frau abhängig, die eine Implantation wünscht. Verbote, die der Frau die Entscheidung für eine Implantation erschweren, können weder mit dem Lebensschutz noch mit dem Fehlen eines Schwangerschaftskonfliktes begründet werden.
Es macht nur Sinn, von „Rechten“ des Embryo/Fötus zu sprechen, wenn es darum geht, jede Existenzphase vor der Geburt gegen Eingriffe Dritter zu schützen bzw. Dritten Zugriffsmöglichkeiten auf menschliches Erbgut prinzipiell zu verwehren (so das BVerfG), die in keiner Sonderbeziehung zu dem geschützten Organismus stehen. Es macht aber wenig Sinn, die Entscheidungsfreiheit der Frau bis zur Implantation zu beschränken. Dies geschieht aber bei einem rigiden Verbot der PID.
MONIKA FROMMEL, Direktorin des Institut für
Sanktionsrecht und Kriminologie, Uni Kiel
[...] Es gibt bei der PID eine Frau mit dringendem Kinderwunsch, die sehnlichst darauf wartet, schwanger zu sein – und wenn die In-vitro-Fertilisation (IVF) gelingt, ist sie schwanger, und damit kann der Schwangerschaftskonflikt in kürze existenziell werden. Wer will bei einem schweren vererbbarem Leiden aus rein theoretischen Erwägungen heraus das Risiko eingehen, den per Zufall ausgewählten Embryo einzupflanzen, der das Krankheitsmerkmal trägt? Dies lässt sich ohne PID erst später mittels Pränataldiagnostik ermitteln. Wer keine PID will, soll die Finger von der IVF lassen – das ist die Konsequenz!
Man kann Kinderwunscheltern die PID nicht vorenthalten, um sie möglicherweise in einen quälenden Schwangerschaftskonflikt zu treiben. [...] Beim grundsätzlichen Verbot der PID freuen sich die Theoretiker am Embryonenschutzgesetz auf Kosten der ohnehin geplagten Kinderwunscheltern, die existenziell betroffen sind.
So wichtig ein Embryonenschutzgesetz im Hinblick auf „verbrauchende Forschung“ ist, so nötig ist es, das Leid der Kinderwunscheltern zu minimieren und alle vorhandenen Möglichkeiten auszuschöpfen, um ihnen zu einem gesunden Kind zu verhelfen; dazu gehört die PID. Dass die Natur selbst eher ruppig mit Embryonen umgeht – es wird vermutet, das sich zirka die Hälfte der Schwangerschaften im Frühstadium unbemerkt von selbst beendet –, das sollte zu denken geben. Nicht jede Blüte wird ein Apfel. MARIANNE MEYER-HAMMER, Düsseldorf
betr.: „Kunstembryonen: Bulmahn für Tests“, taz vom 12. 2. 01
Ist es nicht fanthastisch, dass nun alle Kabinettsmitglieder ihr Verständnis für Wissenschaft und (hört, hört!) die Sache der Frau entdecken? Besonders „für die Frau“ ist es, wenn man pränatale Selektion fördert. Es ist doch Augenauswischerei, wenn gesagt/geschrieben wird, es handele sich bei PID um ein Instrument zur Krankheitserkennung. Diese Diagnostik hat nämlich keinerlei therapeutische Konsequenz. Es geht ausschließlich darum, genetisch nicht optimale Embryonen auszusortieren. Das perfekte Kind soll garantiert werden. Wobei vergessen wird, dass nur ein Bruchteil von Krankheiten und Behinderungen angeboren ist. Es geht vordergründig um die Vermeidung von Leiden. Bei vermuteter Empfindungsfähigkeit von Embryonen könnte ich mir vorstellen, dass diese es begrüßen würden, am medizinischen Fortschritt teilhaben zu können statt in der Petrischale vor potenziellem Leiden beschützt zu werden. [...]
ANJA PETERS, Neubrandenburg
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