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Archiv-Artikel

Ohne Nonnen geht es nicht

Beim Oldenburger Kultursommer geht es schwül her: Das Theater „k“ lädt zur Erotiknacht – nur für Erwachsene. Dabei wagt es keine Schlüssellochblicke in die Gegenwart, sondern hält sich an das, was schon Opa antörnte. Humor zum Schenkelklopfen

Erinnert sich noch jemand an den „Blauen Bock“? 30 Jahre quietschfidele Samstagabend-Unterhaltung in der ARD: Bembel, Äppelwoi und Lieder mit nachvollziehbaren Texten zum Mitklatschen im Down-Beat. Als Heinz Schenk 1987 in Rente ging, war Entertainment etwas ganz anderes geworden. Doch hinterließ er eine offenbar schmerzliche Lücke: Die Sehnsucht, auf eins und drei zu klatschen – verbunden mit einer Show, die zumindest minimalen inhaltlichen Input liefert.

Das Oldenburger Theater „k“ hat sich dieser Sehnsucht angenommen. Statt Äppelwoi gibt‘s Prosecco, und Pate stand – das muss fairerweise gesagt werden – weniger der Blaue Bock als das Revue-Theater der zwanziger Jahre und seine Reanimateure Tim Fischer und Max Raabe. Sex ist das Thema im puffrot beleuchteten Zelt auf dem Schlossplatz. Schließlich ist es eine Sommernacht, und wir sind alle erwachsen.

Der „Kultursommer“ rettet Oldenburg über diese ansonsten drückend kulturarme Jahreszeit. Das Team der Kulturetage wuppt alljährlich einen Monat mit grandiosen Umsonst-und-Draußen-Konzerten, Kino, Literatur und Theater – Letztere nicht umsonst, aber mehrheitlich unter freiem Himmel. Das kleine Theater-Ensemble der Kulturetage muss dabei den großen Spagat bewältigen zwischen der Friedhofskapelle und dem Rotlicht-Zelt: Am Nachmittag spielen sie „Das Staunen der Welt“ auf dem Gertrudenfriedhof, ein Kammerspiel um die fromme Kunst des Sterbens und das Ende Kaiser Friedrichs II. Am späten Abend geht‘s dann schwül her „In der Bar zum Krokodil“.

So heißt das Programm, nach dem Lied der Comedian Harmonists, das Bibelfestigkeit voraussetzt, um die Späße um das wüste Weib des Potifar zu verstehen. Während Max Raabe solche Lieder feinnervig interpretiert, den Sprachwitz herausarbeitet und Pointen wie Sushi serviert, kommt das Theater-k-Ensemble mit der Gulaschkanone. Sie singen den Krokodil-Hit als Gassenhauer. Das Publikum ist begeistert und klatscht im Marschtakt mit. Die Revue kommt mit bildungsbürgerlichem Anspruch daher: Von Goethe über Brecht bis Wladimir Sorokin sind die mittelschweinischen Stellen dabei. Dazu einige absurde Kabinettstückchen über Alien-Brunftgebräuche oder den Turnier- und Kunstwichser Arnold S., der selbst Queen Victoria amüsierte und doch seinen Lebenstraum nicht erfüllen konnte, dem Papst seine Künste vorzuführen.

Das ist witzig und souverän serviert, aber sexy ist etwas anderes. Wenn es prickeln soll, greift das Ensemble beherzt zurück auf die vier ehernen Säulen verklemmter Erotik: Huren, Tiere, Priester, Nonnen. Die müssen schon seit Jahrhunderten in solchen Fällen herhalten, wahrscheinlich weil Erstere es irgendwie dauernd treiben und Letztere angeblich nie. Irgendwo dazwischen müsste man sich selbst ansiedeln, und da könnte es wehtun.

Franziska Vonderlik eröffnet den Abend mit einem Chanson darüber, wie es ist, sich seit dem siebzehnten Lebensjahr auf dem Liebesmarkt zu platzieren. Dann kommt der Jüngling im Nonnenschlafsaal, später der übergriffige Beichtvater und am Schluss die Vogelhochzeit: Der Kranich kann nich‘, der Albatros macht den ersten Stoß, das Publikum klatscht links-zwo-drei-vier.

Gibt‘s denn nichts Lustiges aus dem Geschlechtsleben der Gegenwart zu erzählen? Braucht man die Federboa und das Zwanziger-Jahre-Ambiente, um sexy rüberzukommen? Aktuelle Themen gäbe es genug: die derzeit propagierte Lust an Mief und Körperbehaarung, Sex im Alter in der Freie-Liebe-Generation oder Partnersuche im Web 2.0. Aber da könnte die Hand auf dem Weg zum Schenkel oder das Lachen im Hals steckenbleiben. ANNEDORE BEELTE

Freitag und Samstag 22.30 Uhr, Schlosshof, nur noch Restkarten an der Abendkasse