Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Im Jahr 1936 drehte Fritz Lang mit „Fury“ seinen ersten Hollywood-Film und machte – ganz im Sinne der neuen demokratischen Heimat – einen Durchschnittsbürger zur Hauptfigur: Der grundanständige Joe Wilson (Spencer Tracy) hat eine Tankstelle eröffnet und steht kurz vor seiner Heirat. Mit dem sozialen Aufstieg scheint sich der „amerikanische Traum“ für ihn zu erfüllen, da erlebt er stattdessen einen Albtraum: In einem Provinznest wird er mit einem Kidnapper verwechselt und ins Gefängnis geworfen. Ein von Vorurteilen, Gerüchten und Alkohol befeuerter Mob stürmt das Gefängnis und zündet es an. An dieser Stelle setzt Lang eine Zäsur – es ist ganz so, als ob der Film noch einmal begänne: Joe, durch einen Zufall dem Lynchmord entronnen, verfolgt nun voll Hass anonym den Prozess gegen seine Peiniger und lanciert gefälschte Beweise, die schließlich zur Verurteilung der Angeklagten führen. Erst in letzter Sekunde besinnt er sich eines Besseren – jedoch nicht, ohne das Publikum mit einer bitteren Ansprache zu entlassen: Sein Glaube an die Gerechtigkeit und die Menschlichkeit, sein Stolz auf Amerika – all dies sei in jener Nacht im Gefängnis zurückgeblieben. „Fury“ repräsentiert das dunkle, von tiefem Pessimismus geprägte Universum Fritz Langs in all seinen Facetten: eine Welt voll Schuld und Rache, blindwütige Menschenmassen, Manipulationen und Egoismen. Und die Erkenntnis, dass auch die Rächer keineswegs bessere Menschen sind als jene, die sie mit ihrem Hass verfolgen. In dem Film noir „The Big Heat“ (1953) gibt es zwischen dem Polizisten, der seine Familie bei einem Bombenanschlag verloren hat, und den Gangstern, die er deswegen jagt, kaum einen Unterschied. Auch der Western „Rancho Notorious“ (1951) zeigt Lang ganz in seinem Element: eine stilisierte Ballade, angetrieben und kommentiert von einem Lied, das eine alte Legende erzählt: „The old, old story of hate, murder and revenge.“
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Die Liebe James Camerons zur Tiefsee hat ja mittlerweile etwas alberne Züge angenommen, das zeigte sein grotesker 3-D-Film über Tauchfahrten zum Wrack der Titanic kürzlich nur allzu deutlich. Bei der Inszenierung seines Abenteuerfilms „The Abyss“ (1989) – ein Team von Ölsuchern und Soldaten birgt ein verunglücktes Atom-U-Boot und stößt dabei in der Tiefe des blauen Elements auf technisch weit überlegene, aber durchaus freundliche Lebewesen – war der Regisseur noch besser drauf: Die aufwändigen Spezialeffekte ordnen sich der Story noch unter, die Probleme der Protagonisten bleiben auch unter Wasser nur allzu menschlich, und die schöne Mary Elizabeth Mastrantonio erfährt eine wundersame Wiederauferstehung.
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In die Tiefe zieht es auch Buster Keaton mit aller Macht. In „The Navigator“ (1924) muss er Unterwasser-Reparaturarbeiten an einem Dampfer ausführen und geht das Problem mit jenem naiven Ernst an, der immer so unangemessen erscheint. Zunächst einmal stellt er ein Schild auf dem Meeresboden auf: „Danger – Men At Work“. LARS PENNING