Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Ab Sonntag lassen sich im Arsenal die „Schätze aus dem Filmarchiv des Museum of Modern Art“ bestaunen, und nicht von ungefähr wird die Reihe mit einem New-York-Film eröffnet, der der ganzen Veranstaltung den Titel lieh: Das Melodram „East Side, West Side“ von Allan Dwan (1927) erzählt in einer typischen Aufsteigergeschichte davon, wie sich der Habenichts John Breen (George O’Brien) mit Leistung, Enthusiasmus und viel Glück zwar aus den armen Vierteln der „city of delirium, of enchantment“ (wie es im ersten Zwischentitel heißt) in die ersten gesellschaftlichen Kreise emporarbeiten kann, doch dabei – zunächst – nicht unbedingt sein Glück findet. Bei allem reichlich melodramatischen Gehalt der Geschichte – Johns Mutter und sein Stiefvater ertrinken bei einem Unglück mit ihrem Lastkahn, John erlebt einen Wassereinbruch beim Bau eines U-Bahn-Tunnels – bietet der Film auch sehr interessante Blicke auf den New Yorker Hafen und das Leben in der Gegend des East Side River. Zudem bricht sich in vielen Momenten das Talent des Regisseurs zum Komischen Bahn, besonders hübsch in einer Szene, in der John zum ersten Mal mit einer Badewanne, Badesalz und der hübschen Becka (Virginia Valli) konfrontiert wird.
In einem weiteren MoMA-Programm gibt es neben Edwin S. Porters „The Great Train Robbery“ (1902), dem ersten Western der Filmgeschichte, das sehr modern wirkende sozialkritische Melodrama „A Corner in Wheat“ (1909) von D.W. Griffith zu sehen: Fernab aller damals im Kino noch vorherrschenden Theatralik kontrastiert der amerikanische Meisterregisseur einen Großkapitalisten, der an der Börse die Kontrolle über den Weizenmarkt erringt, mit den Auswirkungen seiner skrupellosen Geschäfte: ruinierte Konkurrenten, darbende Farmer, hungernde Massen. Doch die Geschichte endet grausam moralisch: Der böse Kapitalist freut sich derart unmäßig, dass er unvorsichtig in eine seiner Mühlen fällt und vom Weizen erstickt wird.
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In Japan ist die Romanserie von Hideyuki Kikuchi um die Figur des „Vampire Hunter D“ großer Kult. Bereits 23 Bände mit dem ihm eigenen Genre-Mix aus romantischer Vampir-Fantasy, Science-Fiction und grobem Horror hat der Autor in den letzten zwanzig Jahren veröffentlicht; im Internet lassen sich unzählige Seiten zum Thema und zu den schönen Buchillustrationen von Yoshitaka Amano finden. Diese Zeichnungen haben sich Regisseur Yoshiaki Kawajiri und sein Team zum Vorbild für den jüngsten „Vampire Hunter D“-Zeichentrickfilm (2000) genommen. Der unsterbliche Held – halb Mensch, halb Vampir – erscheint hier als ein schmales, stets in Schwarz gekleidetes und nahezu gesichtsloses Wesen, das sich auf die verwegene Jagd nach den nahen Verwandten macht und dabei neo-neo-neo-romantische Landschaften durchquert und neo-neo-neo-gotische Schlösser besucht: Verschnörkelter dürfte es wohl kaum mehr gehen. Wie so oft im Fantasy-Genre macht der Plot zwar nicht wirklich viel Sinn, dafür gestaltet sich die visuelle Umsetzung umso schöner. LARS PENNING