Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
„When I was a young boy, my mother said to me: There’s only one girl in the world for you, but she probably lives in Tahiti“, sang Wreckless Eric vor vielen Jahren und versprach zugleich, die ganze Welt abzusuchen, um „sie“ zu finden. Die zweifellos romantische, von Erfahrungswerten jedoch oft bestätigte Idee, dass man im Leben nur wenige Menschen trifft, mit denen man wirklich auf der gleichen Wellenlänge liegt, steht auch im Mittelpunkt der Filme „Before Sunrise“ und „Before Sunset“ von Richard Linklater: Die Französin Céline (Julie Delpy) und der Amerikaner Jesse (Ethan Hawke) sind Twens, als sie sich (in „Before Sunrise“) zufällig im Zug begegnen. Ihnen bleiben nur ein Tag und eine Nacht in Wien, ehe Jesses Flieger in die Heimat geht: ein langer Spaziergang durch die Stadt, der zu ausgiebigen Gesprächen über Leben und Tod, Liebe und Sexualität, Kindheitserinnerungen und Zukunftshoffnungen genutzt wird. „Before Sunrise“ ist der Film des gegenseitigen Abcheckens und des Flirtens: Neben der Neugier auf die andere Person schwingen da natürlich auch Unsicherheit und Verlegenheit mit – einmal können Céline und Jesse die persönlichen Dinge, die sie sich sagen wollen, nur dadurch mitteilen, indem sie in einem Spiel vorgeben, mit jemandem anderen zu reden. Dass das abschließende Versprechen der Verliebten, sich in einem halben Jahr wiederzusehen, nicht eingehalten wurde, erfährt man in „Before Sunset“: Ganze neun Jahre dauert es, ehe sich Céline und Jesse in Paris wiedertreffen. Die Erfahrungen mit verschiedenen unglücklichen Beziehungen kommen nun zur Sprache, und ein Bedauern über die seinerzeit verpasste Möglichkeit klingt an. Aber es gibt eine neue Chance, denn die Chemie zwischen den beiden stimmt noch immer. Zwangsläufig ist „Before Sunset“ der reifere und erwachsenere Film: Noch stärker konzentriert auf die beiden Hauptfiguren und in noch knapperem Zeitrahmen (die 80 Filmminuten sind quasi die Echtzeit der Erzählung) lässt Linklater seine Schauspieler die einstigen romantischen Hoffnungen reflektieren – mit Witz, Charme und Dialogen, die wie aus dem Leben gegriffen scheinen. Das Ende der Geschichte bleibt offen, allerdings wird Jesse seinen Flug diesmal vermutlich verpassen.
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Nach der Vorstellung der britischen Regierung unter Winston Churchill hätte „The Life and Death of Colonel Blimp“ ein aufwändiger antideutscher Propagandafilm in Technicolor werden sollen. Stattdessen karikierten Michael Powell und Emeric Pressburger in ihrem humorvollen Werk althergebrachte britische Traditionen wie übertriebenen Sportsgeist im Krieg mit den Nazis und beschworen zugleich die Völker verbindende Freundschaft des alternden Majors Clive Candy (Roger Livesey) mit einem „guten Deutschen“, dem Leutnant Theo Kretschmar-Schuldorff (Adolf Wohlbrück), den der Major einst zu Kaisers Zeiten in Berlin bei einem Duell „traf“. Den offiziellen Stellen gefiel die Tendenz des Films so wenig, dass man sich 1943 – erfolglos – darum bemühte, den Vertrieb zu verhindern. LARS PENNING