Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Heutzutage geben sich die Filme von Alain Resnais bei aller Originalität ja ziemlich publikumsfreundlich, wohl auch, weil der französische Regisseur seit einigen Jahren seiner Liebe zur Populärkultur frönt – man denke nur an die Comics in „I Want to Go Home“ und die Chansons in „On connait la chanson“. Zu Beginn seiner Karriere sah dies jedoch anders aus: Resnais’ erster Spielfilm „Hiroshima mon amour“ (1959) erzählt von einer zu Dreharbeiten in Hiroshima weilenden französischen Schauspielerin (Emanuelle Riva), deren japanischer Liebhaber (Eiji Okada) sie an ihre erste große Liebe, einen deutschen Soldaten, während der Okkupation in Frankreich, erinnert. Für die Aktrice durchdringen sich dabei Gegenwart und Vergangenheit, Erinnerung und Traum. Eine entscheidende Rolle spielt die Parallelmontage: Gleichförmig dahingleitende Kamerafahrten durch die Straßen von Hiroshima und Nevers sowie der monotone Singsang der Stimme der Protagonistin verdichten das Geschehen zu einer Einheit von Ort und Zeit.
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Gert Fröbe alias Goldfinger gibt sich jovial: „Nein Mr. Bond, ich erwarte nicht, dass Sie mir etwas verraten, ich erwarte von Ihnen, dass Sie jetzt sterben.“ Fragt sich nur, warum die Schurken den guten alten Geheimagenten 007 (Sean Connery) immer so kompliziert um die Ecke bringen wollen. Robert Bresson, Regisseur von formal überaus strengem „Kunst“-Kino, zeigte sich trotzdem von „Goldfinger“ (1965; Regie: Guy Hamilton) sehr angetan und begeisterte sich vor allem für jene Einstellung, in der James Bond einen Angreifer als Reflexion in der Pupille der Frau sieht, die er gerade küsst. Übrigens gehörte auch Alain Resnais zu den Fans der Bond-Reihe und erwog in den 60ern, selbst einmal eine Agentengeschichte zu verfilmen. Neben Fröbe, der als größenwahnsinniger Halunke die Goldreserven der Welt an sich bringen will und einen Überfall auf Fort Knox plant, und Connery als Mucho-Macho-Mr. Bond mit viel Aplomb und Ironie, treten auf: Honor Blackman als Fliegerin Pussy Galore, Harold Sakata als der Schelm mit dem tödlichen Bowler-Hut und die goldbepinselte Shirley Eaton, mit der es ein schlimmes vorzeitiges Ende nimmt. Eines der amüsantesten James-Bond-Abenteuer, nicht zuletzt wegen des schönen, von Shirley Bassey gesungenen Titelsongs.
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Die italienischen Neubaugebiete, die Totò und Nino Davoli in Pier Paolo Pasolinis „Große Vögel, kleine Vögel“ (1965) durchqueren, muten zunächst wie eine Parodie auf Antonioni-Filme an. Doch dies ist vermutlich gar nicht beabsichtigt: Die Parabel nutzt den Topos des Reisens, um am Beispiel der beiden selbstsüchtigen Toren, die nicht wissen, wonach sie suchen, die notwendige Veränderung der Gesellschaft einzuklagen. Die entsprechende Rede darf hier der heilige Franziskus halten, doch Totò und Nino verstehen ihn ebenso wenig wie den „linksphilosophischen“ Raben, der ihnen die Welt zu erklären sucht und als Braten endet. Am Ende bleibt alles beim Alten: Heiter und dumm ziehen die beiden Männer ihres Weges. LARS PENNING