Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
In den 20ern avancierte Mae West mit ihren meist selbst verfassten Theaterstücken, in denen sie sexuell dominante Frauen verkörperte, zum Kassenschlager am Broadway. In ihrem Auftreten entwickelte West einen unverwechselbaren Stil: Eine Hand in ihre nicht eben unüppigen Hüften gestemmt, gab sie mit provozierendem Augenaufschlag eindeutige Zweideutigkeiten zum Besten. Den Organisationen, die sich um die Moral des amerikanischen Volkes sorgten, war sie deshalb ein steter Dorn im Auge. Ernste Auswirkungen auf ihre Arbeit hatte dies jedoch erst, als West ab 1932 auch Filme drehte. Denn bereits 1934 wurde der so genannte Production Code, dem die moralischen Grundprinzipien der katholischen Kirche zugrunde lagen, in der Filmindustrie erheblich strikter angewandt als zuvor. Besonders gut lässt sich dies in Leo McCareys „Belle of the Nineties“ (1934) erkennen, einer verwickelten Dreiecksgeschichte, in der West die Revuesängerin Ruby Carter spielt, die sich auf eine Affäre mit dem Nachwuchsboxer Tiger Kid einlässt und sich den Avancen des Nachtclubbesitzers und Boxpromoters Ace Lamont entziehen muss. In der ursprünglichen Story sollte West eine Prostituierte verkörpern, und Tiger Kid war ein Dieb, der am Ende auch direkt für Ace Lamonts Tod verantwortlich sein sollte. Das erste Treatment des Films wurde von Joe Breen, dem Leiter der Zensurbehörde, daher aus folgenden Gründen komplett abgelehnt: A) Vulgarität und Obszönität. B) Verherrlichung von Verbrechen und Verbrechern. C) Verherrlichung einer Prostituierten, und D) dem allgemeinen Thema der Geschichte, die „definitiv auf der Seite des Bösen und Verbrechens sei und gegen das Gute, Anständige und das Gesetz.“ Die Verantwortlichen der Paramount versuchten, den Konflikt abzuwiegeln und erklärten, dass man die Story im „unterhaltsamen und humorvollen Ton“ drehen würde, doch umsonst. Schließlich musste man nachgeben und alle Szenen und Dialoge, in denen angedeutet wurde, Ruby Carter sei eine „Frau mit Vergangenheit“ sowie alle Hinweise auf ein kriminelles Vorleben von Tiger Kid aus „Belle of the Nineties“ entfernen. Zu guter Letzt musste die Beziehung von Ruby zu Tiger Kid noch den kirchlichen Segen erhalten: Das Bad Girl beugte sich der öffentlichen Moral und wurde gut.
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Angesichts des deutschen Titelzusatzes „Klauen für Anfänger“ musste man befürchten, der dänische Regisseur Jannik Johansen wolle mit „Stealing Rembrandt“ in die Fußstapfen der Olsen-Bande treten. Doch statt Klamauk bietet der Film intelligente Sozialkomödie: ein von trockenem Humor geprägter Einblick ins Dasein von hoffnungslosen Verlierern. Im Mittelpunkt steht weniger der versehentlich große Coup von vier Kleinkriminellen, sondern das verkorkste Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Mick (Lars Brygmann) und Tom (Jakob Cedergren), die bei ihren verzweifelten Versuchen, einen irrtümlich gestohlenen Rembrandt wieder loszuwerden, erstmals Respekt voreinander gewinnen. Das ist manchmal anrührend, meistens originell und niemals larmoyant. LARS PENNING