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Archiv-Artikel

Off-Kino Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„Jud Süß“ 4. 12. im Kino in der Brotfabrik

Eine hübsche, überaus liebevolle Parodie auf filmhistorische Dokumentationen schufen „Herr der Ringe“-Regisseur Peter Jackson und Costa Botes: „Forgotten Silver“ erzählt die Geschichte des neuseeländischen Kinopioniers Colin McKenzie, der – wie sich vor kurzem überraschend herausstellte – auf dem Gebiet der Filmtechnik und -ästhetik praktisch alles erfunden hat, was es nur zu erfinden gab. So baute McKenzie bereits um die Jahrhundertwende eine fahrradbetriebene Kamera, mit der er sogleich die erste bekannte Kamerafahrt unternahm, und konstruierte einen leicht überdimensionierten Projektor mit Dampfantrieb. Der Witz von „Forgotten Silver“ liegt im ernsten Ton, in dem die Erfindungen und Missgeschicke des verkannten Genies vorgetragen werden, die immer nur so haarscharf daneben liegen, dass man sie beinahe glauben möchte: Seinen ersten Tonfilm drehte McKenzie bereits 1908 – leider in chinesischer Sprache und ohne Untertitel. Folglich war der Erfolg in der westlichen Welt mehr als bescheiden und die Erfindung geriet in Vergessenheit. McKenzies Enthusiasmus tat dies allerdings keinen Abbruch, und auch die Filmwissenschaftler sind Dekaden später mehr als begeistert: Filmarchivare erzählen von ihrer Arbeit, der berühmte amerikanische Filmhistoriker Leonard Maltin lobt McKenzies Erfindungsreichtum, und Peter Jackson hackt sich höchstpersönlich mit der Machete durch den Urwald, um die längst überwucherten Monumentaldekorationen des Bibelfilms „Salome“ zu finden …

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Laurel and Hardy: „Big Business“, „Double Whoopee“, „That’s My Wife“, „Liberty“; 7. 12. im Filmkunsthaus Babylon

Sie waren die ewigen Verlierer des amerikanischen Traums: Laurel & Hardy verkörperten die kleinen Spießer auf der Suche nach dem Erfolg, stolperten dabei allerdings nur von einer Katastrophe in die nächste. Neben ihrem berühmten „tit for tat“ (Wie du mir, so ich dir) war das Aufeinandertreffen verschiedener Gesellschaftsschichten wichtiger Bestandteil der Komik des genialen Duos. In „Double Whoopee“ veralbern sie die High Society: In einem vornehmen Hotel werden Stan & Ollie mit einem europäischen Prinzen und seinem Premierminister verwechselt – tatsächlich sollen sie als Diener und Portier arbeiten. Nachdem sich das Missverständnis aufgeklärt hat, verbreiten sie wieder völliges Chaos: Sie kabbeln sich um das Trinkgeld, bringen einen Taxifahrer und einen Polizisten zur Weißglut und klemmen einer atemberaubenden Blondine (Jean Harlow) das Kleid in der Taxitür ein, sodass sie die Hotelhalle halbnackt durchqueren muss. Hauptleidtragender ist jedoch stets der arrogante Prinz, der in seiner schicken weißen Uniform gleich mehrfach Bekanntschaft mit einem schmierigen Fahrstuhlschacht macht …

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„Forgotten Silver“ 5. 12. im Blow Up 1

„Empfehlen“ kann man „Jud Süß“ nun nicht gerade, gesehen haben sollte ihn jeder filmhistorisch interessierte Mensch trotzdem: ein aberwitziger Historienfilm, in dem der hitzig-pathetische Stil des Regisseurs Veit Harlan eine unheilvolle Verbindung eingeht mit der verordneten Nazi-Propaganda, die kein antisemitisches Klischee auslässt und sich dabei ständig selbst widerspricht. LARS PENNING