Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Bertolt Brecht gefiel der Film überhaupt nicht. Nachdem er sich G. W. Pabsts Bearbeitung der „Dreigroschenoper“ angesehen hatte, setzte er sich mit einem Gerichtsprozess gegen Änderungen an seinem Stück zur Wehr – und verlor. Zweifellos stand für den Dramatiker die antikapitalistische Stoßrichtung seines Musicals im Vordergrund, doch bereits die ersten Bilder des Films verdeutlichen, dass es Pabst viel mehr um die Atmosphäre der in einem fiktiven Soho angesiedelten Parabel um Leben und Wirken des Gangsters Mackie Messer (Rudolf Forster) ging: Heruntergekommene Gassen, verräucherte Spelunken und plüschige Bordelle sind suggestiv in Szene gesetzt. Überhaupt verdankt das Werk in seiner Inszenierung noch vieles dem Stummfilm – stets erzählen die Bilder mehr als die Dialoge. Die politische Stoßrichtung bleibt dabei allemal klar erkennbar: Die Hochzeit Mackies mit Polly Peachum (Carola Neher), für die Mackies Bande alle nötigen Utensilien zusammenstiehlt, ist in ihrer Travestie gediegener Bürgerlichkeit ein böses satirisches Kabinettstück.
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Mittlerweile dürfte Hardy Krüger der einzige noch lebende deutsche Filmstar von Weltgeltung sein: England, Frankreich, Hollywood – mit Intelligenz und jungenhaftem Charme hat der Mime in seiner nunmehr sechzig Jahre währenden Karriere alle Bastionen geknackt. Seinen Durchbruch in England erlebte Krüger 1957 mit dem von Roy Baker inszenierten Abenteuerfilm „The One That Got Away“, der die Flucht des deutschen Piloten Franz von Werra aus einem Kriegsgefangenenlager nachzeichnet und dabei als einer der ersten ausländischen Filme nach dem Zweiten Weltkrieg einen Deutschen nicht als Klischee-Nazi porträtierte. Das Arsenal zeigt im Dezember eine Hommage an den beliebten Schauspieler; zur Vorstellung des Dramas „Les dimanches de Ville d’Avray“ werden sowohl Hardy Krüger als auch der Regisseur Serge Bourguignon als Gäste erwartet.
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Besonders effektiv arbeitet der Inspektor nun wirklich nicht: Da sind achtzehn Babys von der Entbindungsstation eines Krankenhauses verschwunden, und er fängt lediglich den Autodieb, der ihm gerade seinen schicken Sportwagen klauen wollte. Um das Geheimnis der entwendeten Kinder zu lüften, bedarf es deshalb des „Heroic Trio“, das die Hongkong-Regisseure Johnny To und Ching Siu-Tung in Gestalt der drei bekanntesten weiblichen Stars des fernöstlichen Kinos in Szene setzen: Maggie Cheung, die als „Diebesfängerin“ die komischen Akzente setzt, sowie Anita Mui und Michelle Yeoh, die mit einer melodramatischen Schwestern-Story auf die Tränendrüsen drücken. Die Sets dieses Genremixes aus Martial-Arts-Akrobatik, Action-Komödie und Melodrama sind kühl und futuristisch gestaltet: Kaltes blaues Licht und wabernder Trockeneisnebel umfängt die Protagonisten bei ihrem beständigen Kampf gegen die Schwerkraft und verschleiert dezent, dass für die Dekorationen der dämonischen Unterwelt wohl nicht allzu viel Geld vorhanden war.
LARS PENNING