Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Zweifellos gehören die Geschichten um das vom Schriftsteller Paul Maar erdachte Sams in ihren bislang zwei Verfilmungen zum Charmantesten, was der deutsche Kinderfilm in den letzten Jahren zu bieten hatte. Denn das Sams, ein korpulentes rothaariges Wesen mit Schweinenase und Wunschpunkten im Gesicht, ist die perfekte Verkörperung des Prinzips Kind: neugierig, respektlos und allen augenblicklich hemmungslos nachgebend. „Sams in Gefahr“ (2003, R: Ben Verbong) spinnt die Geschichte des Originalfilms („Das Sams“, 1999) konsequent weiter und setzt dabei auch andere Akzente. Deshalb müssen etablierte Charaktere wie der schüchterne Herr Taschenbier (gespielt von Ulrich Noethen) oder die resolute Frau Rotkohl (sehr passend: die unverwechselbare Eva Mattes) diesmal etwas zurücktreten zugunsten von Taschenbiers Sohn Martin (Constantin Gastmann), der in der Schule andauernd vom fiesen Sportlehrer Fitzgerald Daume (Dominique Horwitz) gequält wird. Jener entführt sogar das Sams (Christine Urspruch), um sich vermittels dessen Wunschpunkten den Rektorposten der Schule zu sichern. Doch er hat schwer mit den Nebenwirkungen des unberechtigten Wünschens zu kämpfen – was letztlich in nicht unbeträchtlichem Maße für den Humor der rundum gelungenen Komödie sorgt.„Ich glaube, Sie sind die wunderschönste Frau der Welt.“ „Ist das wirklich Ihr Ernst?“ „Nein, aber ich lüge öfter, wenn es mich weiterbringt.“ Die Frechheiten und Beleidigungen von Groucho Marx machen wie immer den größten Teil des Spaßes an einem Marx-Brothers-Film aus, der diesmal „A Night in Casablanca“ heißt und nur sehr, sehr entfernt mit Bogarts Erfolgsfilm zu tun hat. Die anarchischen Brüder verbreiten Chaos in einem nordafrikanischen Hotel, servieren einen sehr trockenen Champagner (der nur aus Korken besteht) und hindern einige Nazis daran, mit dem im Fahrstuhlschacht versteckten Schatz zu entkommen. Komischer Höhepunkt ist ein immer wieder verhindertes Rendezvous Grouchos mit einer Sängerin, die mit den Schurken unter einer Decke steckt.In der Filmreihe „Als der Krieg zu Ende war“ zeigt das Zeughauskino Helmut Käutners wohl besten Film: „Unter den Brücken“ entstand noch in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs inmitten des Chaos und stellt einen kompletten Gegenentwurf zur Realität des Dritten Reichs dar. Die Geschichte um die Liebe zweier Binnenschiffer zu einem Mädchen erzählt von lieblicher Idylle statt mörderischem Krieg, vom Rückzug in die Freiheit des Privaten anstelle einer Einordnung in die „Volksgemeinschaft“ und von der Poesie des Alltäglichen im Gegensatz zur pathetischen offiziellen Kunst. „Unter den Brücken“ wurde 1945 zwar noch von der (Nazi-)Zensur zugelassen, kam jedoch nicht mehr vor Kriegsende in die Kinos und wies mit seiner melancholischen Liebes- und Freundschaftsgeschichte in eine bessere Zeit. Nachfolger fand der Film im deutschen Nachkriegskino allerdings keine, und auch Käutner konnte nie mehr an die Qualität seines Meisterwerkes anknüpfen. Lars Penning