Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Von Werktreue hielt man bei Disney im Umgang mit A. A. Milnes Geschichten um den verfressenen Bären Winnie Puuh und seine tierischen Kumpane nie besonders viel. In „Heffalump – Ein neuer Freund für Winnie Puuh“ von Regisseur Frank Nissen ist den Zeichentrickfilmern deshalb sogar der berühmte Hundertmorgenwald zu klein geworden: Der Bär und seine Freunde brechen zu einer Expedition in ein angrenzendes Gehölz auf, um einen vermeintlich ungemein Furcht erregenden Heffalump zu fangen. Nachdem die vorherigen Filme jeweils Geschichten um den überkandidelten Tigger und das weinerliche Ferkel erzählt hatten, steht hier das kleine – und glücklicherweise sehr fröhliche und unternehmungslustige – Känguru Ruh im Mittelpunkt der Abenteuer. Der neu hinzuerfundene Heffalump zeigt sich derweil recht bald als eine Art Baby-Elefant mit lila Puschelschwanz und frohem Gemüt, was – pädagogisch überaus korrekt – wieder einmal die Notwendigkeit der Überwindung von Vorurteilen belegt. Die Spannung der Geschichte hält sich in Grenzen, was sich jedoch als eine bewusst kindgerechte Gestaltung erweist: Die wenigen Momente des Films, die mit der Angst vor dem unbekannten Wald und seinen Kreaturen spielen, werden stets schnell von Szenen mit Gesang und übermütiger Tollerei abgelöst.
„Long Walk Home“, Phillip Noyce’ Film über die „Stolen Generation“ war in Australien ein Politikum: Für die bis 1970 gültige rassistische Verordnung, die die Aborigines unter Vormundschaft des Staates stellte und es damit zum Beispiel ermöglichte, Mischlingskinder von ihren Familien zu trennen und sie in staatlichen Fürsorgeheimen zu „zivilisieren“ (sprich: sie zu Dienstboten für die Weißen auszubilden), hat sich die australische Regierung bis heute nicht entschuldigt. Noyce erzählt die – wahre – Geschichte der Mädchen Molly (Everlyn Sampi), Daisy (Tianna Sansbury) und Gracie (Laura Monaghan), die aus einem dieser Heime im Süden Australiens fliehen und etwas sehr Selbstverständliches tun: Sie gehen heim zu ihrer Familie – rund 2.000 Kilometer zu Fuß nach Norden, immer entlang des „kaninchensicheren Zauns“ („Rabbit-Proof Fence“ lautete auch der Originaltitel des Films) durch die lebensfeindliche Busch- und Wüstenlandschaft. Ein Thriller über Menschen voller Würde, eine faszinierende, majestätische Landschaft und weiße Ordnungshüter, deren Rassismus institutionalisiert ist: Jeder glaubt, einfach nur seine Pflicht zu tun.
Gesichter, Hände, Werkzeuge: In Robert Bressons „Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen“ (1956) dominieren die Großaufnahmen. Die sorgfältige Rekonstruktion der Flucht eines Widerstandskämpfers aus einem Nazigefängnis in Lyon verzichtet auf jedes äußere Drama und stellt mit großer formaler Strenge die Routine des Gefängnisalltags und die Vorbereitungen zum Ausbruch in den Mittelpunkt: das Bohren und Schaben mit dem Löffel durch die hölzerne Türfüllung, das Knüpfen von Seilen aus Kleidungsstücken und Decken. LARS PENNING