Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
„My Architect“: Bereits der Titel der Dokumentation von Nathaniel Kahn klingt sehr persönlich, und so nähert sich der Regisseur seinem Gegenstand auch an. Denn Nathaniel ist der uneheliche Sohn von Louis I. Kahn, einem der bedeutendsten modernen Architekten des 20. Jahrhunderts. Als jener 1974 an einem Herzinfarkt verstarb, war sein Sohn erst elf Jahre alt. Mit Nathaniel und seiner Mutter hatte Louis Kahn nur wenig Zeit verbracht, denn der Architekt, dessen Gebäude sich vor allem durch Monumentalität und eine fantastische Lichtführung auszeichnen, reiste viel. Zudem war er verheiratet, hatte aus dieser Ehe eine Tochter, sowie eine weitere aus einer anderen außerehelichen Beziehung. In „My Architect“ (2003) begibt sich Nathaniel Kahn auf die Spuren des ihm fast unbekannten Vaters und versucht, ihn zu verstehen – als Menschen ebenso wie als Architekten. Dazu redet er mit Verwandten und Freunden (und schreckt dabei gelegentlich auch vor Banalem und Sentimentalem nicht zurück), besucht die eindrucksvollen Bauwerke Kahns (darunter das Kimball Art Museum in Fort Worth, den monumentalen Regierungsgebäudekomplex in Dhaha, Bangladesch, und das Richard Medical Center in Philadelphia, das seine Benutzer verfluchen, weil es so unpraktisch ist) und interviewt berühmte Kollegen des Vaters (u. a. Philip Johnson, I. M. Pei und Frank Gehry). Auf diese Weise gelingt Nathaniel Kahn vielleicht keine intellektuell tiefschürfende Architekturstudie, aber doch ein umfassendes und interessantes Porträt seines Vaters, der letztlich als ein konsequenter (und deshalb auch kommerziell nicht besonders erfolgreicher) Künstler erscheint, der – wie viele andere Genies auch – in seinen Beziehungen zu anderen Menschen erhebliche Defizite aufwies.
Nur der Anfang von Robert Siodmaks Film noir „The Killers“ (1946) beruht auf der berühmten Kurzgeschichte von Ernest Hemingway: „Der Schwede“ (Burt Lancaster in seiner ersten Filmrolle) liegt regungslos im Dunkeln auf seinem Bett und wartet fatalistisch darauf, von zwei Auftragskillern erschossen zu werden, die zunächst noch die Angestellten eines schäbigen Lokals terrorisieren. Der Rest ist schlicht hinzuerfunden und wird noir-typisch in Rückblenden erzählt: Ein Versicherungsdetektiv rollt das Leben des Mordopfers auf und stößt bei seinen Recherchen auf ein verkorkstes Leben mit böser Femme fatale (Ava Gardner) und einem Raubüberfall, den Siodmak mit einer langen Kranfahrt in einer einzigen Einstellung gedreht hat.
„Das Lächeln einer Sommernacht“ (1955) spiegelt Ingmar Bergmans Liebe zum Theater: Konstruiert wie eine französische Komödie des 17. Jahrhunderts und in eine Herrschafts- und Dienstbotenebene geteilt, erzählt der Film aus Bergmans „rosa Periode“ von unpassenden Paaren, von gedemütigten Männern (Gunnar Björnstrand) und lebensklugen Frauen (die wunderbare Eva Dahlbeck). Am Ende sind alle Paare neu sortiert: Die ironische Liebeskomödie brachte dem schwedischen Regisseur den endgültigen internationalen Durchbruch. LARS PENNING