Off- Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Als eine Art „Sense and Sensibility mit Martial Arts“ hat Hauptdarstellerin Michelle Yeoh die von Ang Lee inszenierte Romanverfilmung „Tiger & Dragon“ (2000) genannt. Anders ausgedrückt: Im Mittelpunkt der mit spektakulären Action-Sequenzen angereicherten Geschichte steht das Selbstbestimmungsrecht von Frauen im China des frühen 19. Jahrhunderts. An mit großer Selbstverständlichkeit auftretenden Actionheldinnen herrschte im Kino von Hongkong und Taiwan von jeher eigentlich kein Mangel, doch so deutlich wie Ang Lee hatte den Emanzipationsgedanken wohl noch niemand zuvor ausgedrückt: Da gibt es die alleinstehende erfolgreiche Geschäftsfrau und Schwertkämpferin (Michelle Yeoh), deren romantische Neigung zum Krieger Li Mu Bai (Chow Yun Fat) zwar erwidert, aber nie ausgesprochen wird, ferner eine Gouverneurstochter, die ein Leben als wilde Schwertkämpferin der Langeweile in einer arrangierten Heirat allemal vorzieht, sowie eine Schurkin (Cheng Pei Pei, ein großer Hongkong-Action-Star der 60er), die selbst in ihrem bösen Tun noch vom Ideal der Frauenbefreiung beseelt ist. Im Verbund mit einer Rachegeschichte und den Martial-Arts-Sequenzen, die die Schwerelosigkeit des Personals in immer neue Höhen führen, ergibt dies eine unschlagbar charmante Mischung.
***
Während das Technikmuseum eine Ausstellung zur Geschichte der „Stromgitarren“ zeigt, bietet das Arsenal im August eine begleitende, wenngleich etwas beliebig zusammengestellte Filmreihe. Einige interessante Filme hat man natürlich trotzdem im Programm: Jonathan Demmes „Stop Making Sense“ (1983) gehört noch immer zu den gelungensten Beispielen eines Konzertfilms, weil er sich ganz auf die optisch und dramaturgisch ausgefeilte Performance der Talking Heads verlässt und die sonst so häufigen Zwischenschnitte auf das Publikum, die Konzertfilme meist zum langweiligen Ich-war-auch-da-Fan-Souvenir verkommen lassen, gänzlich vermeidet. Ganz anders Richard Lesters „A Hard Day’s Night“ (1964), ein imagebildender Spielfilm mit surrealen Sketchen, der die Hysterie kreischender Fans so perfekt einfängt, dass die Vision eines normalen Tages im Leben der Beatles heute völlig authentisch anmutet.
***
Einen der unterhaltsamsten Filme um künstliche Intelligenz drehte Bestsellerautor Michael Crichton im Jahr 1972: „Westworld“ erzählt von einem Action-Freizeitpark, in dem die Roboter eines Tages keine Lust mehr haben, sich von den Besuchern erschießen oder verhackstücken zu lassen. Folglich dreht man den Spieß einfach um – insbesondere der Revolvermann (Yul Brynner) der Westworld macht nun seinerseits Jagd auf die Besucher. Der Film lebt vom einst bei den „Glorreichen Sieben“ erworbenen Image Brynners als supercooler Westernheld und nicht zuletzt von der Schadenfreude: Die unsympathischen Trottel, die hier dahingerafft werden, haben sich einen unerfreulichen Kinotod redlich verdient. LARS PENNING