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■ ÖkolumneDie Ökopause Von Donata Riedel

Umweltschutz ist mega-out. Nicht bei den KonsumentInnen, aber in der Industrie – jedensfalls dann, wenn er Investitionen in neue Produktionsanlagen erfordern, also Geld kosten würde. Sicher: Einzelne – zumeist kleinere Firmen, die direkt Konsumgüter herstellen – machen durchaus ernst mit dem Entgiften des Produktionsprozesses. Dabei machen sie häufig die Erfahrung, daß ein Herstellungsprozeß, bei dem weniger Abfall entsteht, nicht nur die Entsorgungskosten, sondern die Produktionskosten insgesamt sinken läßt, weil in geschlossene Produktionskreisläufe weniger Energie und Rohstoffe zugeführt werden müssen.

Der Trend in der Industrie geht jedoch in eine andere Richtung. Immer häufiger fordern ManagerInnen von der Bundesregierung „eine Atempause“ (sic!). Die Industrie müsse jetzt, nachdem sie in den vergangenen Boom-Jahren soviel in den Umweltschutz investiert habe, dringend verschnaufen. Besonders die großen Stahl-, Chemie- und Autohersteller blicken angstvoll in den Konjunkturhimmel, an dem sie tiefschwarze Wolken der Rezession aufziehen sehen – und schicken ihre Lobbyisten ins Bundesumweltministerium: wenigstens an der Umweltfront soll Ruhe herrschen, bis zum nächsten Boom bitte eine Ökopause.

Rezession, so mögen sich manche UmweltschützerInnen trösten, bedeutet ja immerhin, daß weniger produziert wird. Jedes Wachstumsprozent weniger spare schließlich Energie und Rohstoffe, damit auch Treibhausgas und Abfälle. Eine Atempause also für die Natur? Keinesfalls. Denn bis dieser Effekt deutlich einsetzte, müßte die Rezession sehr tief werden; am besten käme es in dieser Logik zu einem Zusammenbruch West analog zu dem der DDR-Wirtschaft nach der Wende. Schließlich kann man heute im Lausitzer Braunkohlerevier wieder die Sonne sehen, und die Elbe führt bei Hamburg kaum halb so viele Schwermetalle mit sich wie zu DDR-Zeiten. Dementsprechend ist allerdings auch die Zahl der Arbeitsplätze gesunken. Die positiven Auswirkungen auf die Umwelt sieht daher im Osten niemand. Zum Glück sind noch die Altlasten da, wenigstens die taugen noch zur bezahlten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.

Auch im Westen avanciert Arbeitslosigkeit zum Thema Nummer eins. Noch vor zwei Jahren meldete fast jeder westdeutsche Konzern eine Zunahme bei der Zahl der Beschäftigten. Heute nun gibt es kaum einen Konzern, der nicht einen Teil der Belegschaft abbauen will. Die These, daß man sich Umweltschutz-Ausgaben nicht mehr leisten könne, wird, je tiefer die Rezession ausfällt, auf um so größere Akzeptanz stoßen. Auch die taz macht die Erfahrung, daß sinnvolle Umweltschutzauflagen existenzbedrohend werden können: Wenn Töpfers Altpapierverordnung durchkommt, nach der jeder Verlag seine Druckerzeugnisse zu entsorgen hätte, würden sich die taz-Produktionskosten pro Jahr um 1 Mio. DM erhöhen. Was nur zu verkraften ist, wenn die Auflage deutlich steigt.

Umweltschutz in kapitalistischen Industriegesellschaften hängt also durchaus mit Wachstum zusammen. Ohne quantitatives Wirtschaftswachstum wird es vermutlich ein qualitatives erst recht nicht geben. Schließlich wurde der Gesamtausstoß an Schadstoffen der Industrie gerade während des 80er-Jahre-Booms deutlich gesenkt. Müssen wir also die Forderung nach einer Ökopause während der Rezession akzeptieren?

Sicher nicht so pauschal, wie sie zur Zeit daherkommt. Schließlich hat die Industrie auch während des Booms nicht freiwillig ihre Anlagen umweltverträglicher umgebaut. Erst die Aussicht auf verschärfte Grenzwerte hat in den vergangenen Jahren einen Schadstoffausstoß-Unterbietungswettbewerb ausgelöst und der Industrie zu einem Modernisierungsschub verholfen, den sie ohne Zwang kaum in diesem Umfang vollzogen hätte. Das wiederum erhöht unterm Strich ihre Chancen, relativ schnell wieder aus der Flaute herauszukommen.

Veraltete Industrieanlagen, auch das zeigt der Osten, erhöhen nicht die Wettbewerbsfähigkeit. Der größte Konkurrent der deutschen Wirtschaft ist noch immer Japan, ein Land mit schärferen Umweltbestimmungen, als sie hierzulande gelten. Die Ökopause könnte so zur Modernisierungspause werden. Herr Töpfer, schützen Sie die Industrie vor sich selbst!

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