■ Ökolumne: Wo war Töpfer? Von Nicola Liebert
Wozu gibt es in Bonn eigentlich ein Umweltministerium? Wenn uns das Ozon Lunge und Hirn verätzt, müssen erst ein paar LandespolitikerInnen beweisen, daß sich gegen Sommersmog etwas machen läßt. Und was tat Töpfer? Aus dem Bundesumweltministerium streckte sich ein zittriger Finger und wies nach Brüssel. Ohne EU-einheitliche Regelung könne man doch nicht ... Doch das Publikum murrte. Da winkte Klaus Töpfer schnell noch heftig mit dem Entwurf einer Verordnung, die irgendwas mit Smog zu tun hat. Zwar geht es darin um Benzol und nicht Ozon, aber ist doch auch was. Wie, immer noch nicht zufrieden?
Vor allem einer war nicht zufrieden: der Herr über alle Autos, Matthias Wissmann. Auch wenn Benzol und Dieselruß den letzten Sauerstoff in der Luft verdrängt haben – Verkehrsbeschränkungen hat es nicht zu geben, schon gar nicht auf Autobahnen und Schnellstraßen. How, der Minister hat gesprochen. Und unser Umwelt-Töpfer bescheidet sich still und genügsam mit einem auf diese Weise wertlos gewordenen Entwurf.
So ist es immer. Der Minister für Ankündigungen kann auf Anfrage mit einer beeindruckenden grünen Rezeptesammlung aufwarten – eine Altpapier- und eine Elektronikschrottverordnung, ein Gesetz zum Schutz der Böden, eine Energiesteuer, ein neues Naturschutzgesetz –, aber dabei bleibt es denn auch. Wenn er tatsächlich mal ein Gesetz oder eine Verordnung bis zur Vollendung bringt, dann läßt sich der Maître de Cuisine von allen Seiten soviel in die Suppe spucken, bis nur noch eine wäßrige Paragraphenbrühe übrigbleibt, oft genug dem ursprünglichen Rezept zuwiderlaufend. So bei Töpfers vorgeblichem Meisterwerk Verpackungsverordnung: Die Industrie nahm ihm den Kochlöffel aus der Hand, erfand geschwind das Duale System, und schon war es vorbei mit allen Ansätzen zur Abfallvermeidung. Der Medienheld (wie furchtlos durchschwamm er die Giftfluten des Rheins!) hat aber für alles eine Entschuldigung. Er ist so guten Willens, doch ach, er kann halt nicht so, wie er will. Aber seltsam, Klaus Töpfer kann durchaus Durchsetzungskraft zeigen: in der Atompolitik, wo seine Linie mit Umweltschutz nicht das geringste zu tun hat. Da regiert er mit eiserner Faust, mit Weisungen und Ultimaten und nicht zuletzt dem sogenannten Artikelgesetz, das die Atomindustrie von den leidigen Endlagerungspflichten entbindet; jetzt tut es auch ein Zwischenlager. Worauf es in der Umweltpolitik wirklich ankommt, wo Natur und menschliche Gesundheit am übelsten geschädigt werden und wo ein Kurswechsel die größte Wirkung hätte – in der Verkehrs-, Energie- und Wirtschaftspolitik, in der Landwirtschaft und Raumplanung –, da hat der Umweltminister nichts zu melden. Er versucht es, von medienwirksamen Ankündigungen abgesehen, auch gar nicht. Klimaschutz? Na klar, Töpfer senkt den Kohlendioxidausstoß, versprach er in Rio. Bloß wie? Die Frage muß Töpfer unangenehm sein. Ist ihm doch selbst klar: Verkehrsminister Wissmann duldet nie und nimmer Beschränkungen für Autofahrer, Finanzminister Waigel keine CO2- Steuer, Wirtschaftsminister Rexrodt läßt sich bei der Kohleförderung nicht hereinreden, und nicht mal regenerative Energien kann Töpfer erforschen lassen. Kollege Paul Krüger möchte lieber das Weltall erkunden.
Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit leidet nämlich an einem Geburtsfehler – einem, der allerdings beabsichtigt war. Geschaffen 1986, ist es ein Kind der Tschernobyl-Katastrophe. Vor der entscheidenden Landtagswahl in Niedersachsen wollte die CDU-Regierung ihre Handlungsfähigkeit nach dem GAU beweisen. Dabei aber ja nicht auf die Atomenergie verzichten. Bloß kein umweltpolitischer Kurswechsel. Ein neuer Kopf (damals der von Walter Wallmann), mußte reichen: Ihr Wähler, seht, eure Regierung tut etwas. Irgend etwas jedenfalls.
Wallmann und sein Nachfolger erfüllten ihre Aufgabe glänzend. Die Aufgabe ist nicht der Schutz der Umwelt, das weiß Klaus Töpfer genau. In Bonn gibt es ein Umweltministerium, um der Bundesregierung den Rücken freizuhalten, damit diese von all dem Ökokram und der grünlichen Nörgelei unbehelligt nach Lust und Laune politisch herumsauen kann. Bloß: Diese Art von Umweltministerium brauchen vielleicht ein paar Bonner PolitikerInnen. Wir nicht.
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