■ Ökolumne: Sommertheater Von Ali Schmidt
Vor nur mäßig gefüllten Rängen wird derzeit die deutsche Umweltdebatte aufgeführt – auf der Werkstattbühne im Kleinen Haus, denn die Hauptbühne wird beherrscht vom Drama ums Sparpaket. Der Sozialstaat am Abgrund – das schreit nach großer Inszenierung mit Schurken und Heroen, nach Pauken und Trompeten. Das bißchen Umweltdiskussion für Insider dagegen, das noch übrig ist, läßt sich locker auf der politischen Kleinkunstszene unterbringen, zum Beispiel in der taz. Öko ist eben out. Keine Konjunktur fürs Drama der Natur.
Da erscheinen von rechts Dirk Maxeiner und Michael Miersch, kostümiert als niedersächsische Großtrappen, und verkünden den Öko-Optimismus: Immerhin werde wegen ein paar komischer Vögel eine 70 Millionen Mark teure Lärmschutzwand gegen den ICE hochgezogen, und überhaupt sei der Rhein wieder ziemlich genießbar. Von links und aus dem österreichischen Off tritt, als ewige Unke, Günther Nenning auf. Punkt 1 auf der Öko-Agenda bleibe selbstverständlich die Katastrophe.
Die SPD inszeniert ihr ökologisches Comeback aus der Tiefe des Raumes und gründet, geführt von ihren kleinen Helden Michael Müller und Hermann Scheer, ein „Umweltforum“, auf dem sich unverzüglich Ernst Ulrich von Weizsäcker, Frederic Vester und die üblichen Verdächtigen tummeln. Vor 15 Jahren hätte man das noch für einen guten Regieeinfall gehalten.
Jutta Ditfurth in einer Flaschenpost wirft in seltsamer Konsonanz mit Bernd Ulrich von der Wochenpost den Bündnisgrünen blanken Machtopportunismus vor. Schließlich habe Michael Vesper, was das mindeste gewesen wäre, nach dem Düsseldorfer Flughafenbrand noch nicht mal das PVC verboten.
Als das Stück sich immer endloser dahinschleppt, erscheint Joschka Fischer und ruft händeringend nach einem Deus ex machina, der parteiüber-, aber machtergreifend das Chaos in eine neue Ordnung überführen möge, wenigstens aber in eine Mitte-Links-Mehrheit. Der DGB beschwört flüsternd doch noch eine ökologische Steuerreform, jetzt, wo das Stück vom Spielplan abgesetzt ist, und Gerhard Schröder hält das für eine feine Sache, aber doch nicht jetzt. Zuerst der Standort, dann der Standpunkt.
Günter Rexrodt läßt sich gutachterlich bestätigen, daß man die versprochenen Klimaschutzziele nicht erreichen werde, die FDP droht mutig mit einer weltweiten Kerosinsteuer im nächsten Jahrtausend, und Matthias Wissmann verkündet die „Spreizung der Kfz- Steuer“ als den absoluten Ökoknaller. (Von Angela Merkel ist nichts zu sehen.) Der Chor der Umweltverbände beklagt die schwarzen Löcher im Wattenmeer, und die Band intoniert den Öko-Rock-'n'-Rollback.
Einig sind sich alle immerhin darin, die ökologische Impotenz der Grünen zu geißeln. Die haben zwar im Bundestag ein Naturschutzgesetz vorgelegt, das den Natur- und Landschaftsschutz flächendeckend machen, ein Energiegesetz, das die alten Monopole zugunsten der erneuerbaren Energieträger entmachten würde, ein Ökosteuerkonzept, das Ressourcenschonung und ökologischen Strukturwandel zusammenführt. Dennoch meint selbst Manfred Kriener, ihre großen Papiere habe die einstige Umweltpartei in der Außen- und Wirtschaftspolitik vorgelegt.
Was also erwartet das Publikum von der Öko- Truppe im Bundestag? Daß sie Schornsteine besetzt? Castor-Schienen zersägt? Vom Wetter spricht statt vom Standort? Der Vorhang fällt. Sommerpause. Mäßiger Beifall und Buhrufe im Kleinen Haus.
Im Großen Haus verspricht Helmut Kohl derweil die Halbierung der Arbeitslosigkeit bis 2000, ebenso guten Mutes wie dereinst die blühenden Landschaften, und die CO2-Reduktion. Das Merkwürdige: Die Nation verjagt ihn keineswegs mit faulen Eiern von der Bühne. Strammer Protest zwar von den Gewerkschaftsrängen – am Spielplan aber wird nichts geändert.
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