Öffnungszeiten unter der Lupe: Am Sonntag sind alle Kaiser
Das Urteil gegen die Arbeitszeitregeln bei Kaiser's könnte auch für viele andere Läden Folgen haben: Wer sonntags arbeiten lässt, muss mit Verfahren rechnen.
Nach dem Gerichtsurteil gegen die Arbeitszeitregelung bei Kaiser's müssen wohl weitere Einzelhändler ihre Öffnungszeiten reduzieren. Die Aufmerksamkeit habe erst einmal dem Verhalten der großen Kette Kaiser's gegolten, sagte am Donnerstag der Sprecher des Landesamts für Arbeitsschutz (Lagetsi), Robert Rath. Nun könnten weitere Einzelfälle geprüft werden, etwa kleinere Kiezmärkte, deren Angestellte sonntags arbeiten müssen. Auch Sabine Zimmer von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di sieht schwierige Zeiten auf einige Ladeninhaber zukommen: "Sie werden wahrscheinlich mit der jetzigen Rechtssprechung ein Problem kriegen", sagte Zimmer mit Blick auf Spätkaufs und Klein-Supermärkte.
Das Verwaltungsgericht hatte am Mittwoch entschieden, dass Kaiser's in der Nacht zu Sonntag so schließen muss, dass um Mitternacht tatsächlich die Lichter ausgehen - also niemand mehr in den Sonntag hinein arbeitet. Da nach Ladenschluss noch etwa eine halbe Stunde Arbeiten wie Aufräumen und Kasse sperren anfallen, kann Kaiser's am Samstag folglich nicht mehr wie bisher in vielen Läden bis 24 Uhr offen haben. "Mit dem 12. Glockenschlag müssen alle Mitarbeiter nach Hause gehen können", fasste Lagetsi-Sprecher Rath zusammen. Die Behörde hatte Kaiser's ein Bußgeld angedroht, sollte es die Praxis einer Öffnung bis 24 Uhr am Samstag beibehalten. Dagegen war das Unternehmen vor Gericht gezogen. Kaiser's kann gegen die Entscheidung in Berufung gehen.
Das Landesamt für Arbeitsschutz ist dem Namen entsprechend für den Arbeitsschutz von Angestellten zuständig. Wenn also ein Unternehmer seine Beschäftigten am Sonntag arbeiten lässt, muss er mit Ungemach von Seiten dieser Behörde rechnen. Der komme auch, kündigte Sprecher Rath an. "Wir schreiben einem Unternehmen nicht vor, wie es sich organisieren soll. Aber der Sonntag bleibt bis auf die Ausnahmen etwa in Bahnhöfen beschäftigungsfrei." Zunächst müsse abgewartet werden, bis das Urteil rechtskräftig sei, fügte Zimmer von Ver.di hinzu. Die Gewerkschaft unterstützt Mitglieder, kann aber nicht selbst klagen.
Wenn ein Unternehmer eigenständig am Sonntag hinter seiner Geschäftstheke stehen möchte, fällt das nicht in den Bereich des Lagetsi, sondern der jeweiligen Ordnungsämter. Sie sind dafür zuständig, die Ladenöffnungszeiten zu überwachen. Dabei gilt: Ausnahmen gibt es in Bahnhöfen und am Flughafen, ansonsten dürfen Einzelhändler nicht öffnen. Der Kampf gegen illegal offene Geschäfte ähnelt allerdings einem Kampf gegen Windmühlen, wie der Leiter des Ordnungsamts Neukölln bestätigt. "Wir kontrollieren, wir stellen fest, aber wir kriegen nicht alle Läden zum Schließen", sagte Horst-Holger Kalusa.
Im Bezirk Neukölln gibt es besonders viele Spätkaufs und Mischformen zwischen Kiosk, Supermarkt und Gemüseladen. Kalusa schickte seine Mitarbeiter zuletzt an Heiligabend sowie an den Weihnachtsfeiertagen auf die Straße. Dabei seien Verstöße in zweistelliger Zahl aufgenommen und Bußgeldverfahren eingeleitet worden, sagte der Amtsleiter. Wie teuer ein Verstoß für Inhaber wird, hänge davon ab, ob der Laden erstmals rechtswidrig offen hatte oder der Besitzer ein Wiederholungstäter ist.
Sinnlos seien die Kontrollen keinesfalls, wehrte Kalusa ab. Es gebe durchaus lernfähige Einzelhändler. Allerdings zeigt ein Beispiel aus Pankow, dass manch einer ganz frivol gegen die Ladenöffnungszeiten verstößt: Der Veganersupermarkt in Prenzlauer Berg ("Wir lieben Leben") wirbt auf seiner Internetseite damit, sonntags von 8 bis 17 Uhr geöffnet zu haben. Das angeschlossene Bistro dürfe offen haben, der Supermarkt sei dann eben mit zugänglich, so ein Sprecher auf Nachfrage. Im Bezirks- beziehungsweise Ordnungsamt, das für die Überprüfung des Marktes zuständig ist, war am Donnerstag niemand für eine Stellungnahme erreichbar.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?