ÖFFENTLICHER DIENST: CHANCE ZUR ARBEITSUMVERTEILUNG VERPASST : Nur ein Triumph der Haushaltslogik
Die Tarifpartner begrüßen den Kompromiss im öffentlichen Dienst. Das Interesse an sich selbst dominiert: Die Arbeitgeber setzten ihre einäugige Sparlogik mit einer Arbeitszeitverlängerung auf 39,2 Stunden zum Teil durch, die Gewerkschaften konnten die Arbeitszeitverlängerung teilweise verhindern, die plurale Fassung des flächendeckenden Tarifvertrags retten und eine soziale Staffelung bei den Einmal- und Sonderzahlungen durchsetzen. Die Formel lautet: Gesichtswahrung.
Doch dieser Tarifabschluss ist gespenstisch. Mit dieser Logik können Verhandlungen nur in der Ekstase des bürokratischen Kompromisses enden. Die öffentlichen Arbeitgeber verbergen den Irrsinn, dass die Massenarbeitslosigkeit auch darauf beruht, dass diejenigen, die Arbeit haben, gezwungen werden, länger zu arbeiten – während zur gleichen Zeit andere Menschen unfreiwillig erwerbslos sind. Am Tisch der Tarifverhandlungen saßen nicht die fünf Millionen Erwerbslosen und nicht einmal die jungen Leute, die, gut ausgebildet, die gesellschaftliche Arbeit leisten könnten, die von den öffentlich-defizitären Dienstleistungen in den Bereichen Bildung, Jugend oder Migration nicht mehr abgedeckt werden. Auf den Tisch der Tarifverhandlungen hätte ein beschäftigungspolitischer Beitrag des öffentlichen Dienstes gehört, Arbeit solidarisch zu „fairteilen“ und Arbeitsplätze dort zu schaffen, wo wir guten Gewissens einen Zuwachs jener Dienstleistungen begründen können.
Sich gegen das Projekt Arbeitszeitverlängerung zu wehren, ohne aber für das positive Ziel der solidarischen Arbeitsumverteilung mit neuen Arbeitsplätzen zu kämpfen – das war von den Gewerkschaften zu defensiv angelegt. Arbeitszeitverkürzung kombiniert mit einer solidarischen Arbeits- und Einkommensverteilung mit neuen Arbeitsplätzen wäre machbar, bezahlbar und im hohen Maße akzeptanzfähig. Solidarische Arbeitsumverteilung, Mindestlohn und ein Grundeinkommen sind Bestandteile einer Alternative zum neoliberalen Denken. PETER GROTTIAN
Der Autor ist Hochschullehrer an der FU Berlin und Mitglied der Initiative „Arbeitsfairteilung“