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Archiv-Artikel

Obdachlosenzentrum wächst

Die Berliner Ärztin Jenny De la Torre will die Beratungsangebote ihres Obdachlosenzentrums ausbauen. Die Zahl der Wohnungslosen nehme weiter zu

KUNSTPROJEKT FÜR OBDACHLOSE

Die Berliner Diakonie bittet um Spenden für ein einzigartiges Projekt der Wohnungslosenhilfe. Im Ostberliner Stadtteil Schöneweide soll mit Hilfe der Konzeptkünstlerin Miriam Kilali Deutschlands „schönstes Obdachlosenheim“ entstehen. Für die Renovierung und künstlerische Umgestaltung des „Hauses Schöneweide“ in der Michael-Brückner-Straße 3 sind rund 130.000 Euro notwendig. In Schöneweide soll ein „wohltuend schöner Ort“ geschaffen werden, der den Bewohnern neue Lebensenergie schenkt. Die Zimmer erhalten neue Möbel und eine neue Beleuchtung, die Sanitäranlagen werden grundlegend saniert. Das Heim in Trägerschaft der GEBEWO Soziale Dienste beherbergt 21 wohnungslose und alkoholkranke Männer, die wegen ihres psychischen und körperlichen Zustandes nicht mehr allein leben können.

Das Kunstprojekt in Schöneweide ist das zweite dieser Art. In Moskau hat Miriam Kilali bereits ein „Sozialhotel“ umgestaltet. EPD

Das vor einem Jahr eröffnete Obdachlosenzentrum der Berliner Ärztin Jenny De la Torre will seine Angebote weiter ausbauen. Bislang würden in der Einrichtung mit Arztpraxis, juristischer und psychologischer Beratung sowie mit Kleiderkammer und Waschmöglichkeit im Stadtbezirk Mitte pro Tag bis zu hundert Menschen betreut, sagte die Medizinerin am Donnerstag vor Journalisten in Berlin.

Insgesamt kamen laut den Angaben in den vergangenen zwölf Monaten rund 2.400 Menschen in die Sprechstunden der ehrenamtlich arbeitenden Allgemeinmedizinerin und einer Augenärztin, davon 80 Prozent Männer. 70 Prozent der Patienten seien nicht krankenversichert gewesen, so De la Torre. Außerdem waren über zwei Drittel der Menschen (68 Prozent) älter als 40 Jahre.

Inzwischen arbeitet auch ein Krankenpfleger in der Arztpraxis mit, und eine Friseurin bietet einmal in der Woche ehrenamtlich ihre Dienste an. Zudem verteilt das Zentrum an Bedürftige ein warmes Mittagessen. Ferner will De la Torre anwaltliche, psychologische und medizinische Beratung auf weitere Wochentage ausbauen.

Das für 300.000 Euro umgebaute Zentrum, das keine Übernachtungsplätze anbietet, finanziert sich ausschließlich aus Spenden und mit Hilfe einer eigens gegründeten Stiftung. Für die laufenden Kosten würden monatlich mindestens 10.000 Euro benötigt, hieß es. Das Gebäude hat der Bezirk für zehn Jahre kostenlos der Jenny-De-la-Torre-Stiftung überlassen.

Das Obdachlosenzentrum war nach anderthalbjährigen Vorbereitungen Anfang September 2006 eröffnet worden. Die Zahl der in Berlin auf der Straße lebenden Menschen beziffert De la Torre unter Verweis auf offizielle Schätzungen auf derzeit 10.000, wobei die Tendenz steigend sei. In die Sprechstunden der beiden Ärztinnen kommen derzeit bis zu 20 Obdachlose. Rund 30 nähmen die Kleiderkammer und die Duschmöglichkeiten in Anspruch.

Jenny De la Torre wurde als bundesweit erste Obdachlosenärztin bekannt. Sie hatte seit 1994 in einer Obdachlosenpraxis am Berliner Ostbahnhof gearbeitet. 2003 gab sie ihre Stelle auf, weil die Trägergesellschaft ihre Arbeitszeit erheblich reduzierte. Für ihren Einsatz wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Medienpreis „Goldene Henne“. Mit dem Preisgeld über 25.000 Euro gründete sie 2002 eine Stiftung zum Aufbau einer finanziell unabhängigen Einrichtung. EPD